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Wiederbelebung eines Totgesagten
Erstes Treffen des Nato-Russland-Rates seit 2019 bleibt ohne Ergebnis. Weitere Gespräche sollen aber folgen
Die Signale, welche Moskau vor dem ersten Treffen des Nato-Russland-Rates seit mehr als zwei Jahren aussandte, waren widersprüchlich: Einerseits rasselte das russische Verteidigungsministerium mit den Säbeln und ließ ein neues Militärmanöver an der Grenze zur Ukraine anlaufen. 3000 Soldaten, T-72-Kampfpanzer und Schützenpanzer des Typs BMP-2 nehmen an der Übung in den Gebieten Belgorod, Woronesch und Brjansk teil, meldete der südliche Militärbezirk. Auch im an Belarus angrenzenden Smolensker Gebiet wird geübt.
Im Gegensatz zu der militärischen Drohgebärde stand jedoch der konziliante Tonfall von Vize-Außenminister Alexander Gruschko, welcher zusammen mit Vize-Verteidigungsminister Alexander Formenko die russische Delegation beim Treffen der Gesprächsplattform leitete, welche zuletzt 2019 getagt hatte. Er reise mit »mit absolut realistischen Erwartungen« und der »Hoffnung auf ernsthafte Gespräche« an, zitiert Ria Nowosti den Diplomaten am Dienstag. Schließlich gehe es um »fundamentale Schlüsselprobleme der europäischen Sicherheit.« Die Äußerung unterschied sich stark von Kommentaren seines Kollegen Sergej Rjabkow, der vor dem russisch-amerikanischen Gipfel am Montag die Hoffnung auf eine Verständigung mit der Nato bezüglich der von Russland geforderten Sicherheitsgarantien als »naiv« zurückgewiesen hatte.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Im Kern blieb jedoch auch Gruschko bestimmt: Die Nato habe Moskaus Sorgen jahrelang nicht ernst genommen und als Misstrauen gegenüber dem »friedliebenden« Charakter der Nato abgetan. Nun sei in den Beziehungen zu dem Bündnis jedoch der »Moment der Wahrheit gekommen«.
Moskaus rhetorische Abrüstung hänge mit dem Ausgang des Genfer Treffens zusammen, schreibt die »Nesawissimaja Gaseta«. Bei dem Gipfel, mit dem am Montag eine ganze Woche russisch-amerikanischer Gespräche über die Ukrainekrise starte, habe US-Verhandlungsführerin Wendy Sherman Zugeständnisse bei den von Moskau geforderten Sicherheitsgarantien zwar zurückgewiesen. Gleichzeitig habe die Leiterin der US-Delegation aber Bereitschaft zu diplomatischen Verhandlungen zu einzelnen Fragen signalisiert - beispielsweise zur Rückkehr zum INF-Vertrag über die Vernichtung von Kurz- und Mittelstreckenraketen. Moskau warte nun weitere Gesprächsrunden ab.
Trotz der signalisierten Bereitschaft zu diplomatischen Lösungen: Die USA betonten vor den Gesprächen am Mittwoch auch die für sie unverhandelbaren Fragen. Der Beitritt zur Nato sei eine Entscheidung souveräner Staaten, erklärte John Sullivan, US-Botschafter in Russland. Die Frage der Aufnahme in das Bündnis betreffe nur den Beitrittskandidaten und die 30 Mitgliedsstaaten der Allianz. »Nicht jedoch dritte Staaten, die entscheiden, was gut für die Ukraine oder Georgien ist.« Diese »Politik der offenen Tür« werde nicht mit Moskau diskutiert, so die neue US-Botschafterin bei der Nato, Julianne Smith. Noch grundsätzlicher wurde Victoria Nuland, Europa-Staatssekretärin im US-Außenministerium. Russland habe bei den Gesprächen am Montag keine Bereitschaft zur Deeskalation der angespannten Lage an der ukrainischen Grenze gezeigt, erklärte sie am Dienstag vor Journalisten. Fortschritte seien jedoch nur in einer Atmosphäre der Deeskalation möglich. Nicht die Ukraine habe die gegenwärtige Krise provoziert, sondern Russland mit dem Aufmarsch von rund 100 000 Soldaten. Auch das neue Manöver an der ukrainischen Grenze trage nicht zu Entspannung bei.
Wie erwartet brachte das rund fünfstündige Treffen am Mittwoch keinen Durchbruch. Die USA wiesen die russische Forderung nach Verzicht auf den Beitritt früherer Sowjetrepubliken zur Nato zurück. Russland habe »kein Vetorecht, in der Frage, ob die Ukraine Nato-Mitglied werden kann«, so Stoltenberg. Zwischen beiden Seiten bestünden weiter »erhebliche Meinungsverschiedenheiten«. Jedoch sei die Allianz für weitere Verhandlungen offen. Auch Russland sei bereit, den Dialog fortzuführen und einen Zeitplan für weitere Treffen abzustimmen. Konkret könne es um Abrüstungsfragen wie die Reduzierung der Zahl in Europa stationierter Atomraketen gehen. Am Donnerstag treffen sich Moskauer Unterhändler mit der OSZE.
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