Pandemie bleibt Blackbox in Kostenfragen

Auch aus Sicht der Ersatzkassen ist die Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mittelfristig nicht sicher

Die Warnung vor wachsenden Beiträgen für die gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherten im nächsten Jahr wird lauter: Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) gab in der letzten Woche in Berlin seine Bedenken zur Kenntnis. Bei dieser Gruppe von Krankenkassen, zu der TK und Barmer zählen, sind aktuell etwa 28 Millionen Menschen versichert. Der Verband deckt damit 38 Prozent des Marktes ab. Fünf der sechs Versicherungen halten ihren Beitragssatz in diesem Jahr stabil. Das soll aber nicht heißen, dass dies auch 2023 so bleibt.

Uwe Klemens, ehrenamtlicher vdek-Vorsitzender, spricht dabei nicht nur von Ausgabenzuwächsen durch die »Blackbox Pandemie«. Aufgrund von Gesetzen aus den Vorjahren werden zudem etwa die Heilmittelerbringer höher vergütet, das sind zum Beispiel Physio- und Ergotherapeuten. Grob wird damit gerechnet, dass die Ausgaben um 3,4 Prozentpunkte wachsen, ein Äquivalent für die gesetzlichen Kassen von etwa zehn Milliarden Euro. Es gibt nun auch aus Sicht des vdek mehrere Möglichkeiten, dieses Wachstum mit höheren Einnahmen zu kompensieren. Eine Variante wäre, den Zusatzbeitrag der Versicherten auf 2,34 Prozent zu erhöhen. Momentan liegt er bei den Ersatzkassen zwischen 1,1 und 1,6 Prozent.

Alternativ könnten die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) insgesamt mit einem dauerhaften, immer wieder angepassten Steuerzuschuss stabilisiert werden. Das ist eigentlich laut Koalitionsvertrag vorgesehen, aber auf die Höhe des Zuschusses hat sich die Ampel noch nicht festgelegt. Entlastet würden die gesetzlichen Kassen auch, wenn die staatliche Zuzahlung für die Beiträge von ALG-II-Beziehern den tatsächlichen Kosten für die Versorgung dieser Gruppe angepasst würde. Auch hier ist eine Erhöhung im Koalitionsvertrag verankert, aber nicht genau beziffert. Zur Eindämmung der Preissteigerungen bei neuen Arzneimitteln sollten die mit dem GKV-Spitzenverband verhandelten Preise rückwirkend ab dem ersten Tag der Zulassung gelten, nicht erst ab dem siebten Monat, wie es die Bundesregierung will. Klemens sieht noch andere Möglichkeiten: »Wird die Mehrwertsteuer für alle GKV-Gesundheitsleistungen einheitlich auf sieben Prozent abgesenkt, würden die Ausgaben pro Jahr um sechs bis sieben Milliarden Euro sinken.«

Als nächste Finanzbaustelle wartet die Soziale Pflegeversicherung. Durchschnittlich zahlen Heimbewohner aktuell pro Monat 2179 Euro dazu. Seit Anfang des Jahres ist zumindest eine Teilentlastung bei den Eigenanteilen in Kraft getreten: Pflegebedürftige in Einrichtungen zahlen je nach Dauer ihres Aufenthalts dort zwischen fünf und 70 Prozent weniger. Das erfordert von den Pflegekassen drei Milliarden Euro mehr pro Jahr. Die Ausgaben in der Pflege steigen, wenn dort jetzt die Löhne angehoben werden oder mehr Personal eingestellt wird, beides aus Sicht des vdek dringende Aufgaben. Kritisch sei zudem, dass zehn Prozent der Pflegebedürftigen, vor allem die stationär betreuten, von der »Hilfe zur Pflege« seitens der Sozialämter abhängig sind - mit ihren Renten sind die nötigen Beträge nicht zu decken.

Der vdek fordert, dass die Ausbildungskosten vom Staat übernommen werden, da es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt. Eine weitere Entlastung der Pflegekassen sollte dadurch erfolgen, dass die Investitionskosten für die stationäre Pflege nicht mehr bei den Bewohnern der Heime eingetrieben werden dürfen. Aktuell sind das pro Pflegebedürftigen im Schnitt 466 Euro im Monat. Diesen Posten sollten die Bundesländer übernehmen. Außerdem wünscht sich der vdek, dass zur Stabilisierung der Pflegekassen jene 60 Milliarden Euro Rücklagen vewendet werden, die von privaten Pflegeversicherungen angehäuft wurden.

Ebenfalls vorgestellt wurden vom vdek Ergebnisse einer Umfrage zur Zufriedenheit mit der Versorgung. Zwar kam bei den meisten gut an, dass sich Haus- und Fachärzte ausreichend Zeit für ihre Patienten nahmen. Weiter kritikwürdig sind jedoch die Wartezeiten, insbesondere für Facharzttermine. 38 Prozent der Befragten mussten einen Monat oder länger auf einen Termin warten, jeder sechste sogar mehr als drei Monate.Vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner bemängelte in diesem Zusammenhang, dass es diese Wartezeiten gebe, obwohl Terminservicestellen existieren. Zudem zahlten die gesetzlichen Krankenkassen 800 Millionen Extrahonorar für die Verkürzung von Wartezeiten. Hier könnten die Praxen mehr anbieten, unter anderem die Möglichkeit, Termine online zu buchen. Das geschehe deutlich zu wenig, insbesondere im ländlichen Raum.

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