- Politik
- Impfpflicht in Pflegeberufen
Kreative Impfgegner
Gibt es einen Ungeimpften-Exodus aus den Pflegeberufen?
Während sich die Bundestagsabgeordneten auf die für diesen Mittwoch im Parlament anberaumte Orientierungsdebatte zur Impfpflicht vorbereiten, greifen deren Gegner offenbar zu immer manipulativeren Mitteln. So entdeckte Andreas Rausch, Reporter des RBB, 126 bemerkenswerte Stellengesuche in der Bautzener Lokalausgabe des »Oberlausitzer Kuriers«.
Bemerkenswert deshalb, weil sie allesamt vorgeblich aus dem Gesundheitswesen kommen, »von der Krankenschwester über den Altenpfleger bis zur Physiotherapeutin«, so Rausch in einem vergangenen Freitag veröffentlichten Beitrag. Alle suchten dort einen neuen Job mit der Begründung, ihr bisheriger sei ab dem 15. März verloren, da sie nicht gegen Corona geimpft seien. Am 15. März soll die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft treten.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Rausch testete nun die in den Anzeigen angegebenen Telefonnummern. Es sei aber niemand zu erreichen gewesen, berichtet er. Vielmehr bekam er, nachdem er seine Entdeckung auf Twitter veröffentlicht hatte, Hinweise, dass dies nur eine von mehreren gezielten Aktionen aus speziellen Telegram-Gruppen sei, um die Menschen weiter zu verunsichern.
Merkwürdig an der Sache ist auch, dass die Titelgeschichte derselben Ausgabe des »Oberlausitzer Kuriers« eine Demonstration von Impfgegnern in Bautzen abfeiert. Dort herrschte nach Meinung des Autors eine »Stimmung wie 1989«. Der Geschäftsführer der Zeitung, Enrico Berger, betonte gegenüber mehreren Medien jedoch, dass es sich bei den Annoncen um bezahlte Anzeigen handele und der Verlag nicht der Auftraggeber sei.
Im Laufe des Wochenendes wurde bekannt, dass neben der Zeitung in Bautzen beispielsweise auch der »Fränkische Tag« in Bamberg mehr als 50 solcher Inserate verzeichnete. Das Blatt selbst berichtete, dass in einer Bamberger Chatgruppe ungeimpfte Pflegekräfte dazu aufgerufen worden seien, die Zeitung mit Stellenanzeigen zu »fluten«.
Beweise sind das noch nicht, aber wie perfide die Szene der Maßnahmenverweigerer vorgeht, zeigt auch ein Beispiel aus Düsseldorf. Dort war im Vorfeld einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen auf den gängigen Querdenker-Kanälen von einem »Block mit Pflegekräften« zu lesen. Am Tag der Demonstration wurden dann Leute fotografiert, die grüne Krankenhauskittel an Versammlungsteilnehmer verteilten.
Doch auch ohne solche Tricksereien der Maßnahmengegner könnte sich der Personalmangel in der Pflege durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht sowie die Omikron-Welle weiter verschärfen. Kliniken und medizinische Fachverbände versichern zwar, die Impfquote in den entsprechenden Einrichtungen, gerade in der Versorgung von Corona-Patienten, sei ausreichend hoch, doch auch das wirkt nicht hundertprozentig überzeugend.
Laut der Zeitung »Die Welt« ließen sich zum Beispiel auf der Internetplattform »eBay-Kleinanzeigen« an einem Tag rund 500 Stellengesuche von Krankenpflegerinnen und -pflegern finden, 35 davon mit dem zusätzlichen Suchbegriff »ungeimpft«.
Auf »eBay-Kleinanzeigen« suchten viele immerhin mit vollständigen Kontaktdaten und Foto nach neuen Jobs, was also auf tatsächliche Pflegekräfte hinweist, die den Beruf wechseln wollen. Und auch Daten des Jobportals Stepstone zeigten, wie hoch der Personalmangel in der Pflege ist. Dort war die Zahl der Stellenanzeigen für Pflegeberufe im Dezember 2021 um 85 Prozent höher als vor der Pandemie im Januar 2020.
Wie lange hierzulande wirklich alle Pflegebedürftigen und Kranken versorgt werden können, wird sich vermutlich mit dem Erreichen des Scheitelpunkts der vierten Corona-Welle Mitte Februar zeigen. Manche Heime vermelden wegen Personalmangels schon jetzt teilweise Aufnahmestopps in der Altenpflege.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.