Aufholjagd bei den Erneuerbaren

In den Vereinigten Staaten entstehen immer mehr Windkraft- und Solargroßprojekte

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Solar-Thermie-Kraftwerk in Kalifornien
Solar-Thermie-Kraftwerk in Kalifornien

Europa ist den Vereinigten Staaten voraus, was den Bau großer Offshore-Windparks angeht, doch man will aufholen. Im vergangenen November begann der Bau der ersten Anlage vor der Küste Massachusetts. Anfang Februar sollen in Kooperation mit der dänischen Firma Orsted die Arbeiten für die zwölf Turbinen des South-Fork-Projekts vor der Küste der Bundesstaaten New York und Rhode Island beginnen.

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Aktuell gibt es in den USA nur sieben Offshore-Windräder – bald sollen es viel mehr werden: Am 23. Februar wird die US-Regierung bei einer Auktion die Pachtverträge für ein Gebiet vor der Küste von New York und New Jersey versteigern, wo Windparks mit bis zu sieben Gigawatt Leistung entstehen sollen. 600 bis 700 Windräder sind nötig dafür; rund 80 000 Arbeitsplätze könnten laut Schätzung des Weißen Hauses entstehen – mehr als doppelt so viele Jobs, wie die Kohleindustrie im Land derzeit beschäftigt.

Ziel der Biden-Regierung ist es, dass bis 2030 Windparks mit rund 30 Gigawatt entstehen. An Land sind bereits 122 Gigawatt installiert. Laut den letzten Jahreszahlen kam es 2020 zu einem Rekordzubau, 2021 wurden offenbar etwas weniger Windräder neu installiert. Seit dem Amtsantritt von Joe Biden hat die US-Regierung 18 Windparks mit einer Kapazität von vier Gigawatt genehmigt. 54 weitere Projekte in einem Umfang von 27 Gigawatt sind im Genehmigungsprozess.

Die neue Windkraftkapazität wäre nur ein kleiner Teil des jährlichen Strombedarfs der Vereinigten Staaten von jährlich über 1200 Gigawatt. Doch der Anteil erneuerbarer Energien wächst schnell. Das zeigt auch die Entwicklung der Solarenergie im Land, deren Kosten laut einer Analyse des US-Energieministeriums in den letzten zehn Jahren um 80 Prozent gesunken sind. Aktuell sind bereits Solaranlagen mit einer Kapazität von 95 Gigawatt installiert, rund 250 000 Menschen arbeiten in der Industrie.

Als Antwort auf die Ölkrise hatte US-Präsident Jimmy Carter in den 70er Jahren Solarpaneele auf dem Weißen Haus installieren lassen, doch sein Nachfolger Ronald Reagan baute sie wieder ab. Spätere Präsidenten investierten nur wenig in Forschung und Förderung. Doch der Grundstein für den jetzigen Ausbau erneuerbarer Energien wurde durch den »American Recovery and Reinvestment Act« aus dem Frühjahr 2009 gelegt. Das Stimulusgesetz als Antwort auf die Finanzkrise enthielt auch 90 Milliarden Dollar zur Förderung regenerativer Energien.

Anders als die Trump-Administration treibt die Biden-Regierung die Freigabe von öffentlich verwaltetem Land voran – von dem es vor allem im Westen der Vereinigten Staaten viel gibt. Ende Dezember vergab man Genehmigungen für drei Solargroßfarmen mit über einem Gigawatt Leistung, 40 weitere Solarfarmprojekte werden derzeit geprüft.
Laut Modellrechnung der US-Behörde, die das öffentliche Land verwaltet, könnten in den nächsten Jahren bis zu 100 Gigawatt Leistung auf öffentlichem Boden installiert werden.

Doch auch private Stromanbieter ersetzen derzeit alternde oder veraltete Kohlekraftwerke durch Solarenergie, etwa in Indiana. Dort ist derzeit die mit 1,6 Gigawatt größte Solarfarm der USA im Bau. Insgesamt sollen 2022 laut der Energiebehörde EIA Solaranlagen mit einer Kapazität von rund 21 Gigawatt entstehen. Die Zahl kleiner Privatanlagen wächst zwar weiter, doch die der Großanlagen wächst schneller.

Mitte Januar veröffentlichte die EIA neue Schätzungen zur Entwicklung des Strommixes im Land. Der Anteil erneuerbarer Energien ohne die schon vor Jahrzehnten installierten Wasserkraftwerke und ohne die von der Behörde als CO2-neutral angesehene Kernkraft soll demnach von aktuell 13 auf 17 Prozent schon im kommenden Jahr ansteigen. Gleichzeitig wird im selben Zeitraum laut der EIA-Analyse der Markanteil des Stroms, der durch Verbrennung von schmutzigem Fracking-Gas generiert wird, von 37 auf 34 Prozent fallen. Der Anteil des Kohlestroms wird demnach leicht von 23 auf 22 Prozent sinken. Der Grund dafür: Die Kosten für das Betreiben von Windparks und Solaranlagen würden »weiter unter denen von Gas-Anlagen liegen«, so die EIA.

»Die Erneuerbaren tun Gas nun das an, was Gas der Kohle angetan hat«, erklärte Sean O’Leary, Forscher beim Ohio River Valley Institute, auf Twitter. Gemeint ist die Tatsache, dass billiges Fracking-Gas in den vergangenen zehn Jahren den Betrieb von Kohlekraftwerken immer unprofitabler machte. Nun werden durch die erneuerbaren Energien zunehmend Gaskraftwerke unprofitabel. Wind und Solar machten von Januar bis Oktober 2021 rund 86 Prozent aller neu zugebauten Stromerzeugungskapazitäten aus. 2022 werden es laut EIA-Schätzung 63 Prozent sein. Demnach wird in zwei Jahren – bei einem etwa gleichbleibenden Anteil von Wasserkraft und Atomenergie – insgesamt noch rund die Hälfte des Strommixes der USA aus Kohle- oder Gaskraftwerken kommen.

Doch es könnte noch schneller gehen, sollte es Joe Biden gelingen, sein derzeit parlamentarisch blockiertes, 1750 Milliarden schweres »Built-Back-Better«-Infrastrukturpaket in Einzelteilen zu verabschieden, wie er auf einer Pressekonferenz andeutete. In dem Paket sind auch Steueranreize für den Zubau erneuerbarer Energien im Umfang von 320 Milliarden Dollar enthalten. Unsicherheitsfaktoren für den Ausbau der erneuerbaren Energien bleiben aber die aktuellen Lieferkettenprobleme auf dem Weltmarkt.

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