Landkreis Bautzen pfeift auf Bundesgesetz

Vize-Landrat kündigt vor Querdenkern an, Impfpflicht für Pflegekräfte nicht durchsetzen zu wollen / Gesundheitsminister der Länder wollen mehrstufiges Verfahren

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Bekenntnis zur Anarchie erfolgte auf den Stufen des Landratsamtes und sorgte für Jubel in der Menge. Der Landkreis Bautzen, kündigte dessen Vize-Landrat Udo Witschas am Montagabend bei einer Demonstration von Querdenkern an, werde die Impfpflicht im Pflegebereich nicht durchsetzen. Das Gesundheitsamt werde Mitarbeitern »kein Berufsverbot, kein Betretungsverbot erteilen«, sagte er. Von der Landesregierung kam harsche Kritik. Die Koalition sei sich einig, dass man »nicht zulassen darf, dass zu Rechtsbruch aufgerufen und dieser dann durchgesetzt wird«, sagte Martin Dulig, der stellvertretende Ministerpräsident von der SPD.

Die Impfpflicht wurde Anfang Dezember im neuen Paragraf 20a des Infektionsschutzgesetzes verankert. Beschäftigte in der Pflege, in Krankenhäusern und Arztpraxen müssen demnach ab 16. März nachweisen, dass sie gegen Covid-19 geimpft oder von einer Erkrankung genesen sind. Wird kein Nachweis vorgelegt, können die Gesundheitsämter dem oder der Beschäftigten »untersagen«, dass sie Räume einer entsprechenden Einrichtung betritt oder »in einem solchen Unternehmen tätig wird«, so das Gesetz.

Je näher aber der Stichtag der Umsetzung rückt, um so mehr Debatten gibt es über die »einrichtungsbezogene Impfpflicht«. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich für eine Überprüfung aus. Es wäre »besser gewesen, von vornherein eine allgemeine Impfpflicht für alle zu machen, statt nur für einzelne Gruppen«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« und warnte vor »Verlusten an Pflegekapazitäten«. Die Gesundheitsminister der Länder bekannten sich in einem Beschluss vom Samstag zwar grundsätzlich zu der Regelung, plädierten aber für einen Aufschub und ein mehrstufiges Verfahren. Es bedürfe zunächst einer »Umsetzungszeit«; erst danach könnten Betretungs- und Tätigkeitsverbote rechtssicher angeordnet werden, hieß es. Zudem wird das Bundesgesundheitsministerium gebeten, ein »abgestuftes Verfahren« zu prüfen, bei dem vor Tätigkeitsverboten erst einmal Bußgelder verhängt werden. Die Minister mahnten, die »Versorgungssicherheit« von Kranken und Pflegebedürftigen dürfe mit der Maßnahme nicht gefährdet werden.

Die Sorge, dass es zu einer Abwanderung von ungeimpften Beschäftigten und dadurch zu personellen Engpässen kommt, ist in Regionen mit einer niedrigen Impfquote besonders groß – etwa in Ostsachsen. Dort sei die Impfpflicht im Gesundheitswesen »nicht ohne Probleme durchsetzbar«, heißt es in einem Brief des Bautzener Landrats Michael Harig an Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU), in dem er diesen auffordert, sich auf Bundesebene für eine Verschiebung oder Aufhebung einzusetzen. Gesetzliche Regelungen sollten »nur dann getroffen werden, wenn deren Umsetzung machbar und damit verbundene Ziele erreichbar sind«, so Harig: »Beides ist nicht gegeben.«

Auftritte im Vorfeld der Kommunalwahlen

Sein Stellvertreter Witschas belässt es indes nicht bei Appellen, sondern kündigt öffentlich an, das Bundesgesetz zu ignorieren – und zwar bei einer Demonstration, die von der rechtsextremen Bewegung »Freie Sachsen« mitgetragen wurde. Auf deren Internetseite findet sich ein Video mit seiner Ansage. Beobachter sind entsetzt. Der Journalist Christian Bangel sieht ein »Traumszenario für die extreme Rechte im Osten«. Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken, sprach von einer Steilvorlage für Querdenker: »Billiger kann kein Sieg für sie errungen werden.« Sie fügt an, der Schritt habe »Bedeutung für ganz Sachsen«. Derweil diente sich zeitgleich auch ein weiterer Kommunalpolitiker bei Coronaleugnern an. Uwe Rumberg, seit 2015 Oberbürgermeister der Stadt Freital, sagte vor Demonstranten: »In unserer freiheitlichen Gesellschaft darf niemand ausgegrenzt werden.« Rumberg war CDU-Mitglied, trat aber im Juni 2020 aus.

Die beiden Auftritte erfolgten im Vorfeld kommunaler Wahlen im Freistaat. Am 12. Juni werden viele Rathauschefs und fast alle Landräte neu gewählt. Die Chefposten in den Kreisverwaltungen sind bisher allesamt von CDU-Politikern besetzt. Jedoch werden auch der AfD Chancen eingeräumt, nicht zuletzt in ihren Hochburgen in Ostsachsen, wo mit Harig und dem Görlitzer Landrat Bernd Lange die langjährigen Amtsinhaber nicht wieder antreten. Im Kreis Bautzen soll Witschas für die CDU den Posten verteidigen; offiziell nominiert wird er Ende März. Der Auftritt am Montag darf als Vorwahlkampf gelten – und wird von politischen Gegnern kritisiert. Wer sich »mit Querdenkern einlässt« und ein Bundesgesetz nicht durchsetzen wolle, dürfe nicht Landrat werden, sagte Caren Lay, Linke-Bundestagsabgeordnete in der Region. Christin Furtenbacher, die Landeschefin der Grünen, fragte in Richtung der CDU: »Ist dieser Kandidat tragbar für eine Partei, die für Recht und Ordnung stehen will?«

Witschas sorgt nicht zum ersten Mal bundesweit für Aufsehen. Im August 2017 wurden vertrauliche Chats mit dem vormaligen Kreisvorsitzenden der NPD publik, in denen sich der Vize-Landrat mit diesem unter anderem über den Umgang mit Asylbewerbern ausgetauscht hatte. Es gab auch CDU-intern heftige Kritik; als Konsequenz wurde Witschas aber lediglich die Zuständigkeit für das Ausländeramt und den Bereich Asyl entzogen. Sein Amt behielt er – in dem er auch für das Gesundheitsamt verantwortlich ist.

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