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- Angela Merkel und CDU
Keine Ehrenfrau
Angela Merkel kann sich anders bauchpinseln lassen als mit dem CDU-Ehrenvorsitz
Wir schreiben das Jahr 2023. Corona ist vorbei. Die Naturtherme in Templin hat sich herausgeputzt für den ersten postpandemischen Parteitag der CDU. Die Delegierten erheben sich von ihren Plätzen als die Ehrenvorsitzende der Partei, Doktorin Angela Merkel, in einer schwarz-rot-goldenen Badewanne liegend, die randvoll mit Kartoffelsuppe gefüllt ist, von vier syrischen Flüchtlingen in die Saunalandschaft getragen wird.
Tosender Applaus. Feuerwerksfunken sprühen. Friedrich Merz rinnt vor Rührung und wegen der klimatischen Umstände die eine oder andere Schweißperle über die Halbglatze. Armin Laschet lacht im Hintergrund. Merkel reißt sich den mit Kartoffelsuppe getränkten Hosenanzug vom Leibe und wirft ihn in die Menge. Dort wird er in Windeseile zerfetzt, ganz so als wäre er eine Kuh, die mit einem Kran in ein Piranhabecken gelassen wird.
Andreas Koristka
ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.
Die Delegierten toben. Einige saugen ekstatisch die Kanzlerinnensuppe aus den ergatterten Stofffetzen. Merkel krümmt ihre Finger ein wenig, und aus ihrer Raute entsteht ein Herz. Sie senkt das Haupt und man setzt ihr als Zeichen des Ehrenamtes den goldenen Saumagen auf den Kopf. Die Konfettikanone lässt die Luft glitzern und aus den Lautsprechern dröhnt »We are the Champions«.
Alles hätte so schön sein können! Hätte. Denn Angela Merkel möchte sich ums Verrecken nicht zur Ehrenvorsitzenden ihrer Partei krönen lassen. Glaubt man ihren Worten, so passt das Amt nicht mehr in die heutige Zeit. Das ist natürlich wahr, trifft aber auf ihre gesamte Partei seit mindestens 1960 zu. Es muss also einen anderen Grund für Merkels Verzicht geben.
Die CDU ist traurig. Abends sitzen ihre führenden Köpfe zusammen und vergießen manche Träne, während sie über die Absage diskutieren. Die Theorien gehen auseinander. Jens Spahn vermutet, Merkel sei sauer, weil sie nicht an den Maskendeals beteiligt war und ihr Haus geschmacklich und preislich nicht mit Spahns Villa mithalten kann. Hans-Georg Maaßen glaubt an ein Komplott der »Globalisten«, die Merkel erst adrenochromsüchtig machten und sie nun zwingen, die CDU in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Philipp Amthor hingegen hat noch keine Meinung gefunden, die ihm einen Karrierevorteil verschaffen könnte.
Die Spekulationen sind müßig, denn Angela Merkel wird sich nicht mehr umstimmen lassen. Sie sitzt den abgelehnten Ehrenvorsitz einfach aus, als wäre er irgend ein Quatsch, den Andi Scheuer wieder angestellt hat. Natürlich braucht Merkel den Ehrenvorsitz nicht. Wenn sie sich bauchpinseln lassen möchte, dann fragt sie einfach Sandra Maischberger oder Johannes B. Kerner, ob sie eine menschelnde Reportage über sie machen wollen. Oder sie bittet die Johns Hopkins Universität um eine weitere Ehrendoktorwürde.
Aber es ist schon auffällig, wenn eine Frau, der während ihrer Amtszeit wirklich alles egal war und die ganz bewusst darauf verzichtet hat, Horst Seehofer in der Öffentlichkeit als »bumsblöden Vollhonk« zu bezeichnen, plötzlich feine Signale der Kränkung sendet. Auch eine Essenseinladung von Friedrich Merz hat sie ausgeschlagen, ganz so, als würde sie den neuen Parteivorsitzenden zur Strafe ohne Nachtisch ins Bett schicken wollen. Aber weshalb nur?
In einem politischen Leben können eben Narben entstehen, die erst später richtig sichtbar werden. Vielleicht kann die beste deutsche Kanzlerin, die die Autoindustrie jemals hatte, irgendwann einmal darüber sprechen. Und wenn es erst zu dem Zeitpunkt ist, an dem die CDU Friedrich Merz zu ihrem Ehrenvorsitzenden ernennt.
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