Der letzte Blick vorm Druck

Es gibt wenig, was Ralf Engel nicht mit dem »nd« mitgemacht hat

  • Corinna Meisenbach
  • Lesedauer: 3 Min.
Ralf Engels an seinem Arbeitsplatz im FMP1
Ralf Engels an seinem Arbeitsplatz im FMP1

Seit 30 Jahren ist er ganz nah dran an der Zeitung - dabei ist er schon lange nicht mehr beim »nd« angestellt. Als die Treuhandanstalt die Zeitung zu Beginn der 90er Jahre finanziell liquidieren wollte, stieg Ralf Engel als EDV-Operator ein. Als es juristische Auseinandersetzungen um das ND-Grundstück gab, zog er 1995 mit dem »ND« um. Er baute jeden einzelnen Computer in Berlin-Friedrichshain ab und in Berlin-Stralau wieder auf. Zehn Jahre später ging es zurück und geduldig wiederholte er das Spiel. Auch als sich das »nd« 2021 zu einer Genossenschaft wandelte, war er da.

Die Treue zur Zeitung ist auch optisch erkennbar. Als ich ihn treffe, trinkt er seinen Kaffee aus einer schon sichtlich älteren Tasse mit nd-Aufdruck. »Die Tasse von 2005! Die erste Tasse hab ich auch noch hinten stehen« sagt er, als ich ihn auf das zum Termin passende Gefäß anspreche.

Wenn man nd-Kollegen nach Ralf Engel fragt, gibt es scheinbar nur eine Antwort: »Ja, den kenn ich. Der ist echt nett.« Der Eindruck bestätigt sich. Der freundliche 58-Jährige ist gut gelaunt und redselig. Noch bevor ich die erste Frage stelle, rattert er viele Stationen seines beruflichen Lebens herunter. Sein erster Satz zu seiner Laufbahn ist: »Bei mir ist eigentlich alles ganz normal.« Normal bedeutet für ihn, einen Schulabschluss gemacht zu haben und eine Lehre zum Facharbeiter für Datenverarbeitung abzuschließen. Im Anschluss arbeitet er im Rechenzentrum für Finanzwesen in der EDV in Neubrandenburg. Dort ist er aufgewachsen. 1986 verlässt er die Stadt und leistet seinen Wehrdienst beim Wachregiment. Er geht nach Berlin und lernt dort später seine Frau kennen.

Dann kommt die Wende. Wie für so viele Menschen aus Ostdeutschland folgt auch für Engel eine schwierige Zeit. Für ihn ist es ein Ringen mit der kapitalistischen Arbeitswelt des frisch vereinten Deutschland. Dass sein Sohn 1990 auf die Welt kommt, macht ihm noch mehr Druck. Er will seine Familie finanziell absichern - das treibt ihn an, aber die Umstände sind schwierig. Oder wie der 58-Jährige es ausdrückt: »Da hat man auch mal Schiss gehabt.«

Nach Arbeitslosigkeit, mehreren Jobwechseln und einem ungeliebten Dienst im Wachschutz beginnt er 1992 beim »ND«. Das reibungslose Funktionieren der Computeranlagen und des Redaktionssystems lag fortan in seinen Händen. Inzwischen arbeitet er nicht mehr für die Zeitung, sondern für die im nd-Gebäude ansässige Media-Service GmbH. Neue herausfordernde Aufgaben kamen hinzu, zum Beispiel der Digitaldruck. Eines blieb: Engel und seine Kollegen prüfen jeden Abend als Letzte mit akribischem Blick die Zeitungsdaten, bevor sich die Gedanken und Recherchen in der Druckerei auf Papier wiederfinden. Zum Feierabend nimmt er sich beim Rausgehen immer eine der frisch gedruckten Zeitung vom Stapel und prüft, ob ihm nichts entgangen ist. Dann geht es nach Hause - raus aus Berlin, nach Schildow.

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