Zwischen Kriegsgefahr und Hysterie

Über die Gefahr einer Eskalation der Ukraine-Krise gehen die Einschätzungen weit auseinander

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 3 Min.

Inmitten der Krisendiplomatie zu einer Lösung des Ukraine-Konflikts verstärkt der Westen seine Militärpräsenz in Osteuropa: Der britische Premierminister Boris Johnson bot der Nato am Samstag an, die Zahl der britischen Soldaten in der Region zu verdoppeln, um auf die zunehmende »russische Feindseligkeit« gegenüber der Ukraine zu reagieren. Derzeit sind 1150 britische Soldaten in Estland, Polen und der Ukraine stationiert. Im Gespräch ist eine Verdoppelung der Truppenzahl. London will zudem Waffen, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Region verlegen. Estland könne »Defensivwaffen« erhalten. Dies solle »dem Kreml eine deutliche Botschaft senden«, erklärte Johnson.

US-Präsident Joe Biden hatte am vergangenen Freitag angekündigt, zusätzliche US-Soldaten in osteuropäische Nato-Staaten zu verlegen. Es gehe dabei aber nur um eine geringe Zahl zusätzlicher Soldaten. Die USA haben für die Verstärkung der Nato-Präsenz bereits 8500 Soldaten in Alarmbereitschaft versetzt. Die französische Regierung kündigte die Entsendung mehrerer Hundert Soldaten nach Rumänien an. Zudem erwägt des Militärbündnis in Reaktion auf den russischen Truppenaufmarsch nahe der Ukraine, Kampftruppen in Rumänien, Bulgarien, der Slowakei und Ungarn zu stationieren, wie die »FAZ« berichtete.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Zuvor hatte die Regierungspartei Einiges Russland die Staatsführung zu Waffenlieferungen an die von Separatisten kontrollierten selbst ernannten Volksrepubliken in der Ostukraine aufgerufen. »Es gibt bisher keine Reaktion des Präsidenten«, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Am Wochenende offenbarten sich Unterschiede in der Einschätzung der Gefahr, die von den etwa 100 000 an der ukrainischen Grenze aufmarschierten russischen Soldaten ausgeht. Die Lage sei nicht angespannter als zuvor, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und warnte in mehreren Videos vor »Panikmache«. Außenminister Dmytro Kuleba erklärte mit Anspielung auf US-amerikanische Befürchtungen: »Wir können jeden Tag 100 Mal sagen, dass eine Invasion unmittelbar bevorsteht, aber das ändert nichts an der Situation vor Ort.«

In Deutschland sorgt unterdessen der Kurs der SPD in der Ukraine-Krise weiter für Kritik. Altkanzler Gerhard Schröder hatte der Ukraine wegen ihrer Forderung nach Waffen »Säbelrasseln« vorgeworfen. Ex-Außenminister Sigmar Gabriel forderte in der »Bild am Sonntag« eine »Diskussion ohne Tabus und Denkverbote« über Waffenlieferungen an die Ukraine. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil wies Gabriels Vorstoß zurück.

Die Linke forderte in einer Erklärung das Ende »wechselseitiger Drohgebärden«. Der russische Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine sei falsch. Die Partei bekräftigte die Integrität und Souveränität der Ukraine. Jedoch seien Russlands Sorgen vor einem Vorrücken der Nato gen Osten nachvollziehbar.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!