Frankreichs Linke sucht den Superstar

Ex-Ministerin Christiane Taubira ist Siegerin in der inoffiziellen Vorabstimmung für die Präsidentschaftswahl

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Anfang stand die Initiative einer Handvoll links eingestellter Franzosen, die sich nicht mit der Zerstrittenheit des linken Lagers abfinden wollten. Seit Mitte vergangenen Jahres haben sie die Primaire populaire (Vorwahl durch das Volk) vorbereitet, die am vergangenen Freitag mit einer Online-Abstimmung begann und am Sonntagabend mit der Verkündung der Ergebnisse endete. Dabei sollte der Bestplatzierte unter den bereits erklärten Präsidentschaftskandidat*innen ermittelt werden, um Frankreichs Linke bei der Präsidentschaftswahl zu repräsentieren und dafür alle linken Parteien und Bewegungen hinter sich zu sammeln. Von den 466 895 Franzosen, die sich bis Mitte vergangener Woche zur Teilnahme eingeschrieben hatten, haben dann tatsächlich 392 738 votiert. Das ist ein bemerkenswerter Erfolg, denn an den vor Wochen ebenfalls per Internet abgehaltenen Vorwahlen der Grünen und der Republikaner beteiligten sich nur 122 675 beziehungsweise 139 742 Menschen.

Bei den Linken standen sieben Kandidat*innen zur Auswahl. Da waren zunächst Yannick Jadot von der Partei der Grünen, die Sozialistin und Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung La France insoumise) sowie die Sozialistin und ehemalige Justizministerin Christiane Taubira. Die anderen drei Kandidaten, die in der breiten Öffentlichkeit unbekannt, aber in linken, feministischen und ökologischen Internetforen sehr aktiv sind, waren die Studentin der Politikwissenschaften Anna Agueb-Porterie, die im Gesundheitswesen tätige Unternehmensberaterin Charlotte Marchandise und der sozialistische Europa-Parlamentsabgeordnete Pierre Larrouturou.

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Auffallend war, dass der Nationalsekretär der Kommunistischen Partei, Fabien Roussel, fehlte, obwohl auch er bei der Präsidentschaftswahl kandidiert. Das rechtfertigten die Initiatoren der Vorwahl mit dem Prozess der Vorauswahl. In einer Basisbefragung im Internet zwischen Juli und Oktober 2021 hatten sie nach den je fünf populärsten linken Frauen und Männern gefragt, die für die Präsidentschaftswahl infrage kämen. Aus dieser Top-Ten-Liste wurden dann diejenigen für die Vorwahl aufgestellt, die sich bis zum 15. Januar öffentlich als Präsidentschaftskandidat erklärt hatten. Letzteres war auch bei Roussel der Fall, doch er gehörte nicht zu den von der Basis nominierten fünf populärsten linken Männern. Roussel hat das kommentarlos zur Kenntnis genommen und ist zum Alltag seines Wahlkampfes zurückgekehrt. Dagegen haben von den sieben aufgestellten Kandidaten drei - Mélenchon, Jadot und Hidalgo - schon vorab erklärt, dass man sie gegen ihren Willen einbezogen habe und dass sie folglich die Vorwahl als null und nichtig betrachten.

Beim Votum im Internet mussten die »Vorwähler« zu jedem der sieben Kandidatinnen und Kandidaten anklicken, ob diese oder dieser ihrer Meinung nach die Linke sehr gut, gut, einigermaßen, kaum oder unzureichend repräsentiert. Die Siegerin Christiane Taubira wurde mehrheitlich mit »gut« bewertet. Auf den nächsten Plätzen folgten mit absteigender Zustimmung Yannick Jadot, Jean-Luc Mélenchon, Pierre Larrouturou, Anne Hidalgo und Charlotte Marchandise, während die mit 24 Jahren jüngste der sieben Kandidaten, Agueb-Porterie, mehrheitlich als »unzureichend« bewertet wurde.

Christiane Taubira erklärte in einer kurzen Ansprache am Sonntagabend in ihrem Pariser Wahlkampfbüro, dass es jetzt darum gehe, »den Weg, die Sprache und den geeigneten Ansatz zu finden«, um die verschiedenen linken Kräfte, Strömungen und Empfindungen zu sammeln. »Ich werde die Initiative ergreifen, die anderen Kandidaten anzurufen«, kündigte sie an und nannte namentlich den Grünen Jadot, die Sozialistin Hidalgo und Mélenchon von La France insoumise, aber auch den Kommunisten Roussel.

Bisher wurden Taubiras Offerten mit Schweigen übergangen oder abgelehnt. So bezeichneten sowohl die Partei der Grünen als auch die Sozialistische Partei die Vorwahl als »kontraproduktiv«, weil sie nur zu den verschiedenen linken Kandidaten eine weitere hinzugefügt hat. Dagegen setzen die Initiatoren der Vorwahl auf die Dynamik, die dadurch ihrer Überzeugung nach ausgelöst wurde. Diese Meinung teilt Guillaume Lacroix, der Vorsitzende der kleinen Partei der Linken Radikalen, wenn er sagt: »Keine linke Partei, kein linker Politiker, ja kein links engagierter Franzose kann das Votum von fast 400 000 Menschen übergehen, ohne sich zu sagen, dass da etwas ganz Neues im Entstehen ist.«

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