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Zu den Sternen

Die Ausstellung »Back to Future« im Museum für Kommunikation Berlin zeigt vergangene Technikvisionen. Ein Begleitprogramm weist auch auf Leerstellen der Ausstellung hin

  • Stefanie Retzlaff
  • Lesedauer: 5 Min.
1961 titelte die sowjetische Zeitschrift »Technika – molodjoschi« (Technik für die Jugend): »Die heutige Generation 
sowjetischer Menschen wird im Kommunismus leben«.
1961 titelte die sowjetische Zeitschrift »Technika – molodjoschi« (Technik für die Jugend): »Die heutige Generation 
sowjetischer Menschen wird im Kommunismus leben«.

Im Lichthof des ehemaligen Postmuseums in Berlin-Mitte rollen den Besucher*innen retro-futuristische Roboter entgegen. Sie informieren über die Geschichte und Sammlungen des Museums. Vom Rauchzeichen über die Rohrpost bis hin zur E-Mail - die historische Entwicklung der Kommunikation zeigt das Museum anhand ihrer technischen Medien, ihrer Apparaturen, Maschinen und Geräte. Die überregionale Museumsstiftung Post und Telekommunikation sammelt zahlreiche Objekte, darunter Adressier- und Stempelmaschinen, Briefkästen, Posthörner, Telefon-, Fax- und Internetmodems, Lochkarten, Scheckhefte, Diktiergeräte sowie andere der technokratischen Vernunft dienliche Instrumente. Einige dieser Objekte sind in der Dauerausstellung des Berliner Museums für Kommunikation beherbergt. Da Exponate wie beispielsweise die historische Rohrpostanlage zur interaktiven Erkundung einladen, bilden laute Kinderrufe oft das Hintergrundgeräusch zum Museumsbesuch.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Die Sonderausstellung »Back to Future«, die bereits 2021 in Frankfurt am Main zu sehen war und noch bis zum 28. August im Museum für Kommunikation besucht werden kann, widmet sich historischen Technikvisionen zwischen Realität und Fiktion. Was in der Vergangenheit als Zukunftstechnologie im Bereich Kommunikation und Mobilität imaginiert wurde, sei zum Teil selbstverständlicher Teil des Alltags geworden, anderes tauge allenfalls als kuriose historische Anekdote. Die bereits im bürgerlichen Salon des 19. Jahrhunderts gehegte Idee eines Fernsprechgeräts mit Bild beispielsweise ist inzwischen aufgrund der in Pandemiezeiten gebotenen sozialen Distanznahme allgegenwärtig. Das 1949 in den USA als Prototyp hergestellte fliegende Automobil dagegen wird angesichts der Klimakrise wohl auch zukünftig nicht vom Fließband laufen.

In vier Räumen beleuchtet die Ausstellung unterschiedliche Facetten vergangener Zukünfte, die Themen lauten »Optimierung des Menschen«, »Grenzenlose Kommunikation«, »Suche nach einer anderen Welt« und »Überwindung von Raum und Zeit«. Motiviert seien technologische Entwicklungen stets durch Hoffnungen und Ängste sowie durch die Neugier und Kreativität des Menschen. Damit werden primär überzeitliche anthropologische Konstanten als Triebkräfte der Technikgeschichte in den Fokus gerückt, während ihre gesellschaftlichen, historischen und polit-ökonomischen Bedingungen weitgehend ausgeblendet bleiben. Zwar mag das Museum grundsätzlich stärker an Dingen und weniger an Diskursen orientiert sein. Doch anders als im Fall der in der Dauerausstellung gezeigten Sammlung alter Briefkästen wird in der Sonderausstellung »Back to Future« durchaus eine Geschichte erzählt. Dabei dominiert ein optimistisches Fortschrittsnarrativ, ohne dass die Einbettung technologischer Innovation etwa in Logiken von kapitalistischer Akkumulation und Verwertung reflektiert würde. Die Hoffnung der Menschheit auf voll automatisiertes Fahren beispielsweise habe sich durch visionäre Autohersteller bereits erfüllt, es hänge nur noch vom Vertrauen der Menschen in die Technik ab, wie hoch der Grad der Automatisierung in Zukunft ausfalle.

Im Themenraum »Suche nach einer anderen Welt« erfährt die Besucherin der Ausstellung, dass Abenteuerlust und der Traum von einer besseren Welt seit Christoph Kolumbus den Aufbruch in neue Welten beflügelt habe - zuerst hin zu neuen Kontinenten, neuerdings auch zu den Sternen. Was kolonisierende Expansionsbestrebungen mit der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und menschlicher Arbeitskraft oder mit nationalen und rassistisch begründeten Herrschaftsansprüchen zu tun haben, bleibt hingegen unerwähnt. Einzig ein Schlaglicht auf das Stück »Whitey on the Moon« von dem US-amerikanischen Spoken-Word-Künstler Gil Scott-Heron erinnert daran, dass der Traum von der Aneignung anderer bewohnbarer Räume und die Produktion sozialer Ungleichheit zwei Seiten einer Medaille bilden. Das 1970 entstandene Stück thematisiert die Verarmung der afro-amerikanischen Bevölkerung vor dem Hintergrund der durch die NASA betriebenen Apollo-Missionen. Das Rennen um die symbolträchtige Mondlandung kostete damals knapp 24 Milliarden US-Dollar.

Neben sechs internationalen Positionen der zeitgenössischen Kunst, die den Horizont der vier Themenräume um feministische und nicht-westliche Perspektiven erweitern, wird die Ausstellung durch ein Begleitprogramm ergänzt. In Kooperation mit dem Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung finden bis zum 22. März regelmäßig Abendvorträge im Museum statt. Einige der Beiträge legen Leerstellen der Ausstellung offen.

Begonnen hat die Vortragsreihe mit einem Vortrag des Slawisten und Historikers Matthias Schwartz. Er leitet am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung den Programmbereich Weltliteratur und das Projekt »Weltfiktionen post/sozialistisch. Literaturen und Kulturen aus Osteuropa«. In seinem Vortrag »Der Weg zu den Sternen. Zukunftsvisionen in sozialistischer Science Fiction« beleuchtete er populäre Technikutopien in den sozialistischen Ländern Osteuropas um 1960. Damit eröffnete er Perspektiven eines Technik- und Wissenschaftsoptimismus, der nicht auf den Kapitalismus als bester aller möglichen Welten gerichtet war, sondern den Aufbau des Kommunismus bis zum Ende des Jahrtausends als realistische Perspektive ansah. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Kybernetik als Kunst der Steuerung, die auch auf soziale Organisation übertragbar ist.

Während der Stalinzeit noch verspottet und verboten, wurde die Idee der Kybernetik als neue Wissenschaft, die beim Aufbau des Kommunismus behilflich sein sollte, in den Sowjetrepubliken ab 1956 salonfähig. Erwähnung fand sie, wie Schwartz zeigte, zuerst in einer Erzählung, die im Juli 1956 in der populärwissenschaftlichen Zeitschrift »Snanije - sila« (»Wissen ist Macht«) erschienen war. In den Folgejahren habe sich die Kybernetik zum beliebtesten Thema populärwissenschaftlicher Publizistik entwickelt, das in Umfragen noch bis weit in die 60er Jahre vor den Themen Raumfahrt und Kosmonautik rangierte. Der »Cyberspeak« sei schließlich nicht nur in den Natur-, sondern auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu einer vorherrschenden Redeweise avanciert. Gesprochen wurde von intelligenten Organismen, Feedback-Schleifen, autonomen Systemen, Regelungstechniken und sich selbst reproduzierenden Apparaten, die sich sowohl im menschlichen Gehirn, im Staatsapparat oder der klassischen Lyrik finden ließen. Eine enorme Faszination übte, so Schwartz, die mit der Kybernetik verbundene Idee einer möglichen Befreiung von schwerer körperlicher Arbeit durch intelligente Automaten aus.

Insbesondere weil die Szenarien einer digital automatisierten Zukunft, die sich gegenwärtig abzeichnen, überaus düster aussehen, hätten emanzipatorische Dimensionen historischer Technikutopien auch in der Ausstellung stärker fokussiert werden können. Eine wichtige Aufgabe wäre es zudem, sie von Innovationen zu unterscheiden, die - in der Ausstellung gezeigt anhand von Leihgaben der Autobahndirektion Südbayern - im selbstfahrenden Auto den Wunsch nach mehr Freizeit realisiert sehen.

»Back to Future«, bis 28. August, Museum für Kommunikation, Leipziger Str. 16, Berlin-Mitte, Dienstag 9-20, Mittwoch-Freitag 9-17, Samstag/Sonntag 10-18 Uhr.

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