Investitionen in fossile Brennstoffe weiter geschützt

Trotz Reformbemühungen wird die Energiecharta auch den deutschen Kohleausstieg weiter verteuern

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf Grundlage der Energiecharta hatte die Nord-Stream-2-Gesellschaft im September 2019 die EU vor einem Schiedsgericht verklagt. Grund: Von Gasversorgern auf EU-Gebiet und damit auch in Deutschland wird verlangt, dass Produktion, Transport und Verteilung in rechtlich getrennten, »entflochtenen« Unternehmen erfolgen. Unter Umständen müsste Nord Stream 2 also Dritte am Geschäft beteiligen. Das hält der Versorger für einen Verstoß gegen die Energiecharta. Dieser internationale Vertrag wurde 1991 unterzeichnet. Taxiert wurden die ihm drohenden Verluste schon mal auf bis zu acht Milliarden Euro.

Offizielle Zahlen zur Nord-Stream-2-Klage sind nicht bekannt - wie bei vielen dieser Investor-Schiedsverfahren. Oft erfahre die Öffentlichkeit im Nachhinein nur, es habe ein milliardenschweres Verfahren stattgefunden, aber nicht, worum es ging, beklagte jetzt Lukas Schaugg vom International Institute for Sustainable Development (IISD), einem weltweit operierenden kanadischen Thinktank, bei der Vorstellung einer Studie zum Investorenschutz.

Der Report analysiert etwas mehr als 1200 Investor-Staat-Verfahren aller Wirtschaftsbereiche, die bis Ende 2020 weltweit eingeleitet wurden. Grundlage der Verfahren sind sowohl multilaterale Verträge wie die Energiecharta als auch Schutzgesetze einzelner Staaten oder direkte Investitionsverträge. Von allen analysierten Investor-Verfahren wurden dabei 231 von der fossilen Brennstoffindustrie angestrengt, also fast jedes fünfte. »Dieser Industriezweig ist die mit Abstand prozessfreudigste Branche«, betonte Schaugg.

Am häufigsten komme dabei die Energiecharta zum Einsatz. Die Charta sei attraktiv, weil besonders viele Staaten Mitglied sind und sie weitreichende Investorenrechte einräume, erläuterte der Rechtsexperte. Wenig verwunderlich ist da, dass die meisten Verfahren zugunsten der Investoren ausgehen - etwa 32 Prozent, wie der Report bilanziert. In 23 Prozent der Verfahren ist das beklagte Land erfolgreich. Ein weiteres Drittel der Verfahren wurde »beigelegt«. Schaugg sieht hier eine Tendenz der Schiedsgerichte, die Parteien zur Beilegung zu ermutigen. Das erhöhe den Grad der Geheimhaltung. Es gebe Vergleiche, die nie veröffentlicht würden.

Die Macht der Energiecharta könnte sich auch »massiv« auf das Ziel der deutschen Ampel-Koalition auswirken, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, erläuterte die Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger von den Grünen bei der Vorstellung des IISD-Reports. Beim beschlossenen Kohleausstieg bis 2038 erhalten die Stromkonzerne Milliardenentschädigungen auch deshalb, damit sie explizit auf Klagen vor Schiedsgerichten verzichten. Immer, wenn es jetzt um die Forderung gehe, den Kohleausstieg vorzuziehen, werde sie sofort mit dem Argument konfrontiert, ob sie der fossilen Industrie wirklich noch weitere Milliarden geben wolle, sagte Henneberger. Bis Mitte des Jahres solle es nun, kündigte die Grüne an, auf Bundesebene einen Aufschlag geben, wie das Vorziehen des Kohleausstiegs auf spätestens 2030 gelingen kann.

Dass der Koalitionsvertrag der Ampel sich für eine Reform der Energiecharta ausspreche, könne für sie nur bedeuten, dass die fossile Industrie dort komplett herausgestrichen wird, betonte Henneberger. Aus ihrer Sicht werde der Energiecharta-Vertrag grundsätzlich nicht mehr gebraucht. Von einer Abschaffung der Energiecharta kann international derzeit allerdings keine Rede sein. Selbst eine Reform, die bis Mitte des Jahres geplant ist, scheint in weiter Ferne zu liegen.

Um die Reform werde jeweils noch im März, April und Mai verhandelt, berichtete Fabian Flues vom Thinktank Powershift anlässlich der Vorstellung der IISD-Studie. Bis dato habe die EU ihre Position aber nicht durchsetzen können, den Investitionsschutz wenigstens für fossile Industrien auslaufen zu lassen. Da werde nun an einem Kompromiss gearbeitet, der es zumindest einzelnen Ländern erlauben soll, den Schutz der Fossilen zu beenden.

Für Flues zeichnet sich ab, dass die Energiecharta weitere 10 bis 20 Jahre ihre schützende Hand über die Fossilen halten wird - bis in die 2030er Jahre für Kohle und bis 2040 für fossiles Gas, betonte er. Damit bleibe die Energiecharta ein Hindernis für eine ambitionierte Klimapolitik und stehe nicht im Einklang mit den Pariser Klimazielen.

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