Linke von Sozialisten ausgebootet

Mit taktischem Manöver hat sich in Portugal die sozialdemokratische Regierungspartei mehr Macht gesichert

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir wussten, dass wir viele Stimmen verlieren könnten. Aber damit, dass es so schlimm kommen würde, haben wir nicht gerechnet«, sagt die bisherige Abgeordnete des portugiesischen Linksblocks (BE) Isabel Pires gegenüber »nd«. »Es war schwierig, unsere Ablehnung des Haushalts zu erklären«, fügt die 31-jährige Politikerin hinzu. Das Wahldebakel bedeutet, dass der »Bloco« neben ihrem weitere 13 Sitze in der Assembleia da República verloren hat. Von 9,5 Prozent stürzte er bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag auf 4,5 Prozent ab. BE und Kommunisten (PCP) waren im Wahlkampf starken Angriffen der Sozialisten (PS) ausgesetzt, die sie für die Neuwahlen verantwortlich machten. Die linken Parteien seien beim Haushaltsentwurf der Regierung nicht verhandlungsbereit gewesen, wurde behauptet. »Das war gelogen«, betont Pires.

Die Ablehnung des Haushalts durch BE und PCP ging der Wahl voraus, bei der die PS von Ministerpräsident António Costa eine absolute Sitzmehrheit im Parlament erringen konnten. In diesen Corona-Zeiten sei es noch schwieriger gewesen, ihre Botschaft zu vermitteln, sagt Pires. Der Wahlkampf habe vor allem über Medien stattgefunden, »zu denen kleinere Parteien weniger Zugang haben.«

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Costa habe »arrogant« auf eine absolute Mehrheit gesetzt, zuletzt aber selbst nicht mehr daran geglaubt, meint gegenüber »nd« in einem weiteren Gespräch die ehemalige PS-Europaparlamentarierin Ana Gomes. »Deshalb hat er noch kurz vor den Wahlen seine Strategie komplett geändert«, sagt die streitbare Juristin. Angesichts von Umfragen, die zum Teil Rui Rio und dessen rechtsliberale PSD vorne sahen, habe Costa plötzlich allen Parteien Gespräche angeboten, mit Ausnahme der ultrarechten Chega. Dass Umfragen das Wählerverhalten stark beeinflusst haben, darin sind sich Pires und Gomes einig. Und auch über deren zum Teil zweifelhafte Basis: »Sie waren oft nicht repräsentativ, basierten etwa auf der Befragung von nur 152 Menschen«, berichtet Gomes. Die Polarisierung im Wahlkampf auf ein »Kopf-an-Kopf-Rennen« zwischen Costa und Rio habe zu vielen »nützlichen Stimmen für die PS« geführt. »Ich kenne überzeugte Wähler von BE und PCP, die uns aus Angst vor der Rechten gewählt haben«, erkennt auch die Sozialistin Gomes an. »Viele Wähler bereuen es schon heute, PS gewählt zu haben«, glaubt Pires.

Rio hatte zwar stets erklärt, nicht mit Chega regieren zu wollen, sich aber kurz vor dem Wahltag selbst ein Bein gestellt und eine »Duldung durch Chega nicht ausgeschlossen«, betont Gomes. Das mobilisierte eine hohe Wahlbeteiligung. In der fünften Corona-Welle stieg sie gegenüber 2019 um zehn Prozentpunkte an. Viele haben den Tabubruch von Rio auf den Azoreninseln noch in Erinnerung, wo die PSD die Regionalregierung mit Hilfe der Rechtsextremen vor zwei Jahren übernehmen konnten.

Sowohl Pires als auch Gomes sind überzeugt, dass Neuwahlen »unnötig« waren. BE und PCP hätten »nachvollziehbare Forderungen wie Verbesserungen im Gesundheitssystem gestellt«. Es seien ureigene PS-Forderungen gewesen, meint Gomes: »Ein Kompromiss war möglich.« Costa habe keinen gewollt. »Er wollte nicht verhandeln, sonst hätte er einen zweiten Entwurf vorlegen können«, sagt die BE-Vertreterin. Er habe »alles auf eine Karte gesetzt«, um sich mit Unterstützung des Präsidenten Marcelo Rebelo de Sousa (PSD) der Unterstützer zur Linken zu entledigen, schätzt Sozialistin Gomes ein.

Als »Erpressung« bezeichnete der PCP-Vorsitzende Jerónimo de Sousa in einer Pressekonferenz am Mittwoch das Verhalten des Präsidenten und der PS. Man habe »Forderungen der großen Wirtschafts- und Finanzinteressen« erfüllt, linke Einflüsse zu beseitigen. Dass »Marcelo« schon vor der Abstimmung über das Budget bei einer Ablehnung mit einer Parlamentsauflösung drohte, findet auch Gomes »skandalös«. PCP und BE hätten sich aber zu »nützlichen Idioten« gemacht, kritisiert sie, weil beide in die aufgestellte Falle getappt seien. Gewonnen habe nur Costa. Seine absolute PS-Mehrheit habe auch »Marcelo« nicht gewollt, glaubt Gomes. Der habe auf eine große Koalition gesetzt.

Gomes will jetzt auf dem linken PS-Flügel Druck machen: »Es gibt eine Mehrheit für eine Linksregierung.« Dass Costa aber linke Politik machen wird, glaubt sie ebenso wenig wie BE und PCP. Deshalb habe er im vergangenen Jahr auch ihre Präsidentschaftskandidatur nicht unterstützt, sondern die von »Marcelo«. Dass nun Edite Estrela vom rechten PS-Flügel Parlamentspräsidentin werden soll, ist laut Gomes ebenfalls ein deutliches Zeichen. »Die wollte mich einst aus der Partei werfen, weil ich portugiesische Verwicklungen in die CIA-Folterflüge untersucht habe«, berichtet sie.

»Es bleibt uns die Straße, hier wird man mich wie bisher antreffen«, sagt Pires. Auch die PCP hat nun »Massen- und Arbeitskämpfe« zur Verteidigung der Rechte der Bevölkerung angekündigt. Mit der Stabilität, die Portugals Politik durch Einbindung von BE und PCP bisher hatte, scheint es vorbei zu sein.

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