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Weniger Vorsorge, höhere Risiken
Weltkrebstag: Versorgungslücken bestehen auch in Deutschland - und nicht erst seit der Covid-19-Pandemie
Die Krebsmedizin steht weiterhin vor großen Herausforderungen: Tumorerkrankungen bleiben auch in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Jedes Jahr gibt es hier über eine halbe Million neue Diagnosen. Dabei könnte fast die Hälfte aller Krebsfälle vermieden werden.
Zusätzlich werden die Folgen der Corona-Pandemie in diesem Bereich ganz besonders zu spüren sein: Denn auch in Deutschland vernachlässigen viele Menschen die Vorsorge aus Ansteckungsängsten. Aber Darmspiegelungen oder HPV-Impfungen (die Gebärmutterhalskrebs verhindern sollen) zählten auch ohne Pandemie schon nicht zu den allgemeinen Präventionsgewohnheiten. Erschwerend hinzu kommt, dass im Verlauf der Pandemie auch Krebstherapien verschoben wurden - vielleicht nur um wenige Wochen, damit Kliniken entlastet werden. Aber auch solche kurze Fristen können verheerende Auswirkungen haben, wenn Tumoren schnell wachsen.
So bekommt das Motto des diesjährigen Weltkrebstages »Versorgungslücken schließen« noch einmal besonderes Gewicht. Dieser Tag der Mahnung findet zum 22. Mal statt - den Schwerpunkt legt die Internationale Vereinigung gegen den Krebs fest.
Versorgungslücken entstehen einerseits dort, wo Menschen es mit der Vorsorge nicht so genau nehmen - oder sie gar keinen Zugang dazu haben. Wird zu spät diagnostiziert, das gilt auch bei Krebs, erkrankt man schwerer, mit schlechteren Heilungsaussichten. Wer ohnehin nur im Notfall zum Arzt geht, sich im Gesundheitssystem nicht verständlich machen kann und nicht verstanden fühlt, ist im Nachteil. Das betrifft Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die niedrige Einkommen haben und dazu beruflich oder familiär überlastet sind oder auch nur einen niedrigen Bildungsabschluss haben. Die Gruppe ließe sich noch erweitern.
Im Umkehrschluss zeigen Daten der AOK Rheinland/Hamburg, wer zum Beispiel die gesetzliche Darmkrebsvorsorge in Anspruch nimmt: Das sind mehrheitlich sozial und finanziell gut gestellte Bürger, worauf der Berufsverband der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte hinwies. Diese Menschen erkranken dann im Schnitt seltener an Darmkrebs, und bei ihnen werden vorhandene Tumoren in einem so frühen Stadium erkannt, dass diese gut behandelbar sind. Bei Menschen aus prekären Verhältnissen hingegen, häufig verbunden mit geringerer Gesundheitskompetenz, würde Darmkrebs erst in einem späteren Stadium diagnostiziert.
Auf eine ähnliche Problemlage verweist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Sachen Nikotin und Alkohol. Zu den damit verbundenen Risiken gehören ebenfalls bestimmte Krebserkrankungen. Im Jahr 2020 waren die vielfach durch Rauchen hervorgerufenen Krebserkrankungen der Atemwege die häufigste Tumorart mit Todesfolge: Mehr als 46 000 Menschen verstarben daran. Das ist mehr als jeder fünfte Krebs-Todesfall.
Besonders gefährdet, an Krebs zu erkranken, sind Raucherinnen und Raucher, die gleichzeitig riskant Alkohol trinken. Diese Kombination befördert offensichtlich insbesondere Tumoren der oberen Atemwege und des oberen Verdauungstraktes - also Mundhöhlen-, Rachen-, Kehlkopf- und Speiseröhrenkrebs.
Tabak, mit Sicherheit noch unter den am meisten verbreiteten Drogen in Deutschland, wird durchaus nicht in allen Einkommensschichten gleichmäßig konsumiert: Vor allem Ärmere und weniger Gebildete rauchen, stellte eine Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf für die Jahre 2016/17 fest. Von den Personen ohne Schulabschluss rauchen 41,6 Prozent. Bei jenen mit Abitur sind es mit 20 Prozent die Hälfte weniger. In Haushalten mit Nettoeinkommen bis zu 1000 Euro rauchen 36,5 Prozent, während es unter den Wohlhabenden mit mindestens 5000 Euro 23,2 Prozent sind.
Die Deutsche Krebshilfe weist aktuell auf Versorgungslücken hin, die auch Menschen mit niedrigem Einkommen am stärksten treffen dürften, darunter in der ambulanten psychoonkologischen und psychosozialen Betreuung. Wenn in ärmeren Familien ein Einkommen wegen Krankheit oder Tod wegbricht, hat das häufig extreme und traumatische Folgen für die Hinterbliebenen.
Eine ganz andere Dimension von Versorgungslücken ist international zu beklagen: So schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass bis 2040 der relativ größte Zuwachs an Krebserkrankungen auf Länder mit niedrigen Einkommen entfallen wird; sie geht dabei von einer Verdopplung aus. Hier sind es vor allem die trotz lange abgelaufener Patente immer noch zu teueren Krebsmedikamente, die dem größten Teil der Bevölkerung nicht zur Verfügung stehen.
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