- Politik
- Frankreich vor der Präsidentschaftswahl
Hürden auf dem Weg zur Kandidatur
Bei den Präsidentschaftskandidaturen in Frankreich findet vorab eine problematische Auslese statt
Bis auf Emmanuel Macron, der noch nicht erklärt hat, ob er sich um eine zweite Amtszeit bewirbt, stehen alle Präsidentschaftskandidaten bereits mitten im Wahlkampf. Doch vor dem ersten Wahlgang am 10. und dem zweiten am 24. April müssen sie erst noch eine andere Hürde nehmen, bevor sie am 7. März offiziell als Kandidaten anerkannt werden. Bis spätestens 3. März muß jeder von ihnen die Unterschriften von mindestens 500 Bürgermeistern, Parlamentariern oder Abgeordneten von Regional- und Departementalräten aus mindestens 30 der insgesamt 100 Departements vorlegen, die durchaus nicht politisch mit ihnen übereinstimmen müssen, die aber mit ihrer Signatur für demokratisch legitim befinden, dass diese Frau oder dieser Mann kandidiert.
Dieses Parrainage (Schirmherrschaft) genannte Unterschriftensammeln hat offiziell am 27. Januar begonnen, doch Vertreter der Kandidaten hatten zuvor bereits monatelang das Land nach zur Signatur bereiten Politikern durchforstet. Die Unterschriften-Hürde wurde ursprünglich von den Vätern der Verfassung als Sicherheitssperre eingebaut, um unseriösen Kandidaturen vorzubeugen, die der Würde des Wahlprozesses abträglich wären. Doch was verfassungsrechtlich vernünftig schien, hat sich in der Praxis als Hemmschwelle auch für Kandidaten erwiesen, die nur etwas aus dem starren Rahmen des politisch Üblichen fallen oder die relativ kleine Gruppen der Bevölkerung vertreten.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Mehr als 30 potenzielle Kandidaten haben sich in diesem Jahr für die Teilnahme an der Präsidentschaftswahl gemeldet, doch ihre Aussichten sind sehr unterschiedlich und in vielen Fällen verschwindend gering. Das machen die Zahlen der Unterschriften deutlich, die nach der ersten Woche beim Verfassungsrat, dem Aufsichtsgremium für die Wahl, eingegangen sind. Für Emmanuel Macron, der offiziell noch gar nicht Kandidat ist, an dessen Kandidatur aber niemand zweifelt, wurden bereits 529 Unterschriften abgegeben. Das zeugt von einem in der Bevölkerung und auch unter den Politikern verbreiteten Wunsch nach Kontinuität. Aber auch einige Kandidaten von Oppositionsparteien, die über viele eigene Kommunalpolitiker und Abgeordnete verfügen, brauchen sich kaum Sorgen zu machen. So waren nach der ersten Woche für die Kandidatin der rechten Republikaner Valérie Pécresse schon 324 Unterschriften zusammen, für die Sozialistin Anne Hidalgo 266 und für den Kommunisten Fabien Roussel 156.
Problematisch könnte es dagegen für Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung La France insoumise werden, für den bis zu diesem Zeitpunkt erst 100 Unterschriften eingegangen waren, für den Grünen Yannick Jadot mit 80 sowie erst recht für die Rechtsextremen Eric Zemmour mit 58 und Marine Le Pen mit 35 Unterschriften. Für die Sozialistin Christine Taubira, die ihre Kandidatur erst vor Tagen, später als alle anderen und im Ergebnis einer Basisbefragung per Internet, bekanntgab, gingen sogar erst acht Unterschriften ein.
Von diesen »kleinen« Kandidaten kommt verständlicherweise die meiste Kritik am Parrainage-System. Vor allem verurteilen sie die Regel, nach der die Namen der Unterschriftengeber vom Verfassungsrat veröffentlicht werden. Weil dadurch viele von ihnen dadurch politischem Druck, oft selbst aus der eigenen Partei, ausgesetzt sind, weigern sich immer mehr Bürgermeister oder Abgeordnete generell, ihre Unterschrift zu geben. »Mir wäre es lieber, wenn die Unterschrift anonym bliebe und nicht falsch interpretiert werden kann oder man Druck auf mich ausgeübt«, meint beispielsweise Laslie Dudoit, die parteilose Bürgermeisterin des in Lothringen gelegenen Dorfes Griscourt. Dagegen verteidigt der Juraprofessor Paul Cessia die Veröffentlichung. Sie entspreche dem immer stärkeren Wunsch der Menschen nach Transparenz und Verantwortungsgefühl, auch in der Politik.
Einige der betroffenen Kandidaten haben schon Vorschläge für Alternativen zum umstrittenen Unterschriften-System gemacht. So will Eric Zemmour, dass eine repräsentative Gruppe von Bürgermeistern und Abgeordneten gemeinsam und pauschal allen Kandidaten ihre Schirmherrschaft verleiht, die in Umfragen zwischen fünf und acht Prozent Zustimmung der befragten Wähler erhielten. Jean-Luc Mélenchon wiederum schlägt vor, dass Kandidaten anerkannt werden, wenn sie die Unterschriften von 150 000 wahlberechtigten Franzosen erhalten haben. Doch die Chancen für eine Änderung der Regeln stehen nicht gut und für dieses Mal wäre es sowieso schon zu spät.
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