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  • Olympische Winterspiele in Peking

Eileen Gu: Wunderkind zwischen zwei Welten

Die Ski-Freestylerin ist in den USA aufgewachsen und will jetzt für China Olympiagold holen

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Eileen Gu als Wunderkind zu bezeichnen, ist keine bloße Rhetorik, sondern vielmehr eine nüchterne Umschreibung der Tatsachen: Die 18-Jährige studiert an der Stanford-Universität, spricht fließend Mandarin, modelt nebenbei für französische Designermarken und ist eine ausgezeichnete Klavierspielerin. Vor allem aber gilt die im kalifornischen San Francisco geborene Gu als Goldanwärterin im Ski Freestyle bei bei den Olympischen Winterspielen in gleich drei Disziplinen: Halfpipe, Slopestyle und Big Air.

Doch die Aussicht aufs Siegerpodest löst in ihrem Geburtsland nur wenig Freudenstürme aus. Auf dem großen Nachrichtensender Fox News wurde Eileen Gu gar unlängst vom konservativen Sportkommentator Will Cain als »undankbares« Kind betitelt, das sich gegen jenes Land wendet, das sie »nicht nur aufgezogen, sondern auch zur Weltklasse-Skifahrerin geformt hat«. Damit sprach der 46-Jährige wohl vielen US-Amerikanern aus der Seele. Denn Eileen Gu hat nach Ansicht vieler einen Kardinalsfehler begangen: Sie hat sich entschieden, bei den Winterspielen für die Volksrepublik China anzutreten, das Herkunftsland ihrer Mutter. Damit ist die Athletin ins Kreuzfeuer des wohl größten systemischen Konflikts unserer Zeit geraten. Die USA befinden sich schließlich mit China nicht nur in einem handfesten Handelskrieg, sondern haben die Winterspiele in Peking auch aufgrund der massiven Menschenrechtsverletzungen im Land diplomatisch boykottiert.

Die Kontroverse nahm im Januar 2019 ihren Lauf. Die damals 15-Jährige gewann damals ihren ersten Weltcup - damals noch unter amerikanischer Flagge. Nur wenige Tage später flog sie still und heimlich nach China, wo sie Staatspräsident Xi Jinping persönlich traf. Dort trat sie dann auch erstmals in der roten Sportuniform des chinesischen Kaders auf und Xi sagte, dass ihr olympischer Erfolg essenziell für die »Erneuerung der chinesischen Nation« sei.

Erst im Nachhinein erklärte Eileen Gu ihre Entscheidung für China öffentlich - ausgerechnet auf der Onlineplattform Insta-gram, die in China zensiert wird. »Das war eine unglaublich schwere Entscheidung für mich«, schrieb sie. Doch sie wolle »Millionen junger Menschen dort inspirieren, wo meine Mutter geboren wurde«. Durch das Skifahren könne man schließlich »Menschen vereinen ... und Freundschaften zwischen Nationen schmieden«.

Was Gu damals selbstverständlich verschwieg, waren ihre mutmaßlich wichtigsten Beweggründe: lukrative Werbeverträge. Denn die Ski-Freestylerin gilt in China - einem Markt von 1,4 Milliarden Menschen - seither als einziger Wintersport-Superstar. »Erst vor ein paar Wochen war ich in Shanghai und sah ihr Gesicht innerhalb einer Stunde auf drei Werbeplakaten - das waren alles olympische Sponsoren«, erzählte der US-amerikanische Sportkommentator Mark Dreyer jetzt in Peking. Auf der Onlineplattform Weibo folgen Eileen Gu bereits knapp zwei Millionen User. Dort postet die junge Athletin Storys von ihren »Fashion Outfits« im Olympischen Dorf sowie den neuesten Werbekampagnen - stets begleitet von Hunderttausenden »Likes«.

In ihrem Geburtsland wird all dies nur wenig goutiert, auch von liberalen, chinesischstämmigen Amerikanern nicht. »Ich frage mich, wie die 18-jährige Eileen Gu über ihre Entscheidung denken wird, wenn sie älter und weiser ist«, kommentiert jüngst die Autorin Leta Hong-Fincher, die sich vor allem mit ihren Büchern über Feminismus in China einen Namen gemacht hat. Doch Gus Olympia-Entscheidung wirft auch rechtliche Fragen auf. Offiziell akzeptiert China nämlich keine doppelten Staatsbürgerschaften. Zunächst hieß es auf der Internetseite von Eileen Gus Sponsor »Red Bull«, dass sie ihren amerikanischen Pass abgegeben hat, um für China anzutreten. Nach einer diesbezüglichen Anfrage vom »Wall Street Journal« wurde jene Passage jedoch wieder gelöscht. Seither hat sich die Athletin nicht dazu geäußert - wohl auch, um nicht noch höhere Wellen in ihrem Geburtsland zu schlagen.

Die Kontroverse zeigt vor allem auf, wie sehr sich die Vereinigten Staaten mittlerweile von China entfremdet haben. Wie Millionen anderer ihrer Generation ist Eileen Gu zwischen zwei Welten aufgewachsen: Ihre Mutter ist irgendwann zum Studium nach Kalifornien gezogen, wo sie einen Amerikaner geheiratet hat. Eileen selbst wuchs in der Nähe von San Francisco auf, wo sie schon bald ihre Leidenschaft für den Skisport entwickelte. Jeden Sommer flog sie nach Peking, der Heimatstadt ihrer Mutter, um dort die Ferien zu verbringen.

Zumindest in den kommenden Tagen, so bleibt der Sportlerin zu wünschen, wird die große Politik keine Rolle in ihrem Alltag spielen. Am Dienstag nämlich legt die 18-Jährige nun ihr olympisches Debüt hin.

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