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Kanonenboot-Politik gegen China
Entsendung deutscher Kriegsschiffe vor die Küsten Asiens muss von Peking als Provokation aufgefasst werden
»Deutschland liegt am Südchinesischen Meer«: Unter diesem weit hergeholt wirkenden Titel berichtete kürzlich Hans Uwe Mergener, Kapitän zur See a. D., in der Fachzeitschrift »Marineforum« über die Konferenz Maritime Convention 2021, die Mitte November vom Deutschen Maritimen Institut und dem Info-Portal Griephan »zum Geschäftsfeld der gesamtstaatlichen Sicherheit und Verteidigung« ausgerichtet worden war. »China! Maritimer Treiber für Europa?!« hatte deren Thema gelautet. Das »Marineforum« ist keine offizielle Publikation der deutschen Marine als Teilstreitkraft der Bundeswehr, aber ein einflussreiches Organ diverser Lobbyisten. Der Autor des erwähnten Artikels wird dort glücklicherweise nicht als Geograf, sondern als Experte für Rüstung und Technik aufgeführt. In seinen Beiträgen beklagt er regelmäßig eine zu große Nachsicht der Bundesregierung gegenüber der Volksrepublik China. Ihr Duktus erinnert eher an ungute deutsche maritime Traditionen, als an ein »werteorientiertes Selbstverständnis«.
Die deutsche Marine bewegt sich mit Blick auf die Region im Fahrwasser Washingtons, das gegenüber China zu Lande, zu Wasser und in der Luft immer stärker Front macht und dasselbe auch von seinen Verbündeten verlangt. Ende des vergangenen Jahres hielten die westlichen Flottenverbände im Westpazifik das Manöver »Pacific Iron« ab, an dem neben Kriegsschiffen aus Australien und Kanada auch die deutsche Fregatte Bayern beteiligt war. Offensichtlich handelte es sich hierbei nur um den Auftakt zu größeren, womöglich gefährlicheren Abstechern zu den fernen Küsten.
»Die veröffentlichte Meinung in Deutschland, also im Wesentlichen der deutsche Journalismus, die Massenmedien, aber auch deutsche Politiker neigen dazu, sich aus Amerika suggerieren zu lassen, dass China eine Gefahr für uns darstellt. In Wirklichkeit hängen die ökonomischen Probleme, die wir Europäer insgesamt in unseren eigenen Ländern haben, weniger mit China zusammen als vielmehr mit Fehlentwicklungen, die wir selbst verschuldet haben«, schrieb Helmut Schmidt bereits im Jahr 2005 in seinem Buch »Nachbar China«. Diese Worte des Altkanzlers sind auch heute von brennender Aktualität.
Für Dr. Peter Rudolf von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin liegt dem chinesisch-US-amerikanischen Konflikt, welchen er als sich verdichtenden Weltkonflikt interpretiert, eine regionale, aber auch zunehmend globale Statuskonkurrenz zugrunde. Ihr Ringen um Einfluss mische sich »mit einem ideologischen Antagonismus«, der von US-Seite neuerdings stärker betont werde. Letztlich gehe es um die »Vorherrschaft im digitalen Zeitalter«. Die strategische Rivalität der potenziellen militärischen Gegner sieht Rudolf besonders ausgeprägt an Chinas maritimer Peripherie.
Mit ihrer strategischen Entscheidung, regelmäßig in den Ozeanen Ostasiens zu patrouillieren, wird die Bundesmarine ein fester Teil des dortigen Ringens um Einflusssphären. Wie von höchster Stelle verlautbarte, will man sich mit Fregatte Bayern für Kriegsübungen nur warmgelaufen haben. Bei dem Einsatz im November in der Philippinensee östlich der Philippinen übten die Verbündeten unter anderem das Sperren von Seegebieten, die Luftabwehr und die U-Boot-Jagd.
Der inzwischen wegen nicht genehmer politischer Äußerungen zum Ukraine-Konflikt als Marineinspekteur abgelöste Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach sprach am 21. Dezember in Singapur bei einer Veranstaltung des International Institute for Strategic Studies (IISS) davon, dass schon in diesem Jahr zwei weitere Kriegsschiffe entsendet werden sollen. Bei einem könnte es sich um eine Fregatte vom modernsten Typ F 125 handeln, die bis zu zwei Jahre autark in fernen Gewässern operieren kann. In Singapur soll bereits der Aufbau eines Logistikhubs in Planung sein, um diese Art von Kanonenboot-Politik zu erleichtern. Ferner plädierte Schönbach dafür, 2023 die Taiwanstraße zu durchqueren, was von China als Provokation aufgefasst werden muss.
Dieser Kurs Berlins liegt nicht allein an seiner Einbindung in die transatlantischen Strukturen. Er deckt sich auch mit der Militarisierung der EU, die in ihrer Indo-Pazifik-Strategie unter anderem eine dauerhafte Militärpräsenz in der Region ins Auge fasst.
Das Verhalten des Westens zeigt Parallelen zum Vorgehen der Kolonialmächte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als das Reich der Mitte am Boden lag und geplündert, ausgebeutet und gedemütigt wurde. Der gravierende Unterschied besteht allerdings darin, dass das China von heute seinen Konkurrenten als aufstrebende Weltmacht begegnet.
Die renommierte US-Zeitschrift »Foreign Affairs« warnte jüngst Washington davor, sich auf »den falschen Krieg mit China« vorzubereiten. Ein solcher, zeigt ihre beunruhigende Analyse, würde »kein kurzer Kampf um Taiwan«, sondern lang und an immer mehr Fronten eskalieren. Eine Ausweitung zum Atomkrieg sei eine realistische Annahme.
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