Verwendung eines falschen ärztlichen Attestes nicht immer strafbar
maskenfrei - doch wenn das attest eine fälschung ist - ein kurioser fall
Das klingt logisch, doch um tatsächlich juristisch belangt zu werden, ist der Nachweis eine »Vorsatzes« erforderlich. In dem verhandelten Fall wusste der 23-jähriger Handwerker nicht, dass er ein falsches Attest nutzte. Demzufolge wurde er freigesprochen, so die Entscheidung des Amtsgerichts München (Az. 824 Cs 234 Js 109736/21) vom 28. Oktober 2021, über die das Rechtsportal »anwaltauskunft.de« berichtet.
Der Angeklagte trug bei einer Kon-trolle keinen vorgeschriebenen Mund-Nase-Schutz. Er zeigte den Polizeibeamten ein Attest. Dieses befreite ihn vom Tragen einer Maske aus medizinischen Gründen. Er hatte dieses Attest zuvor bei einer Praxis per Mail zum Preis von 17 Euro erworben. Er war nie persönlich in der Praxis gewesen und dort untersucht worden. Auch gab es keine medizinischen Gründe für die Befreiung.
Den Arzt für das Attest hatte ihm ein Bekannter empfohlen. Diesen schrieb er per Mail an und bekam dann das Attest per Post. Er dachte, dass man wegen der Pandemie Atteste per Telefon bekommen könnte. »Nachdem ich das Attest per E-Mail vom Arzt bekam, habe ich telefonisch noch einmal die Praxis kontaktiert. Ich habe mir versichern lassen, dass das in Ordnung ist. Ich habe mit der Assistentin gesprochen, die das Attest ausgestellt hatte.« Er sei kein Arzt und habe der Praxis vertraut. Seinen Wunsch auf Befreiung begründete er mit allergener Atemnot, Panik und Übelkeit.
Gegen die ausstellende Praxis wurde bereits intensiv ermittelt. Der dafür zuständige Polizeibeamte erläuterte, dass der Arzt zusammen mit seinen Assistentinnen 4700 Atteste ausgestellt und per Post verschickt habe. Dabei wurden die meisten Atteste via E-Mail bei der Assistentin beantragt. Dabei kam es meist nicht zu einer Begutachtung. Auch das Attest des Angeklagten wurde von der Assistentin ausgestellt. Atteste wurden reihenweise ausgestellt, auch wenn der Arzt nicht einmal davon wusste.
Das Verfahren endete mit einem Freispruch für den Handwerker. Der Strafrichter war nicht davon überzeugt, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hatte. Er hätte schlicht nicht gewusst, dass es kein gültiges Attest war. Zur damaligen Zeit sei es üblich gewesen, Atteste auch telefonisch zu bekommen. Auch hatte der Mann in seiner Mail angegeben, dass er unter Hautirritationen, gelegentlicher Atemnot und Kopfschmerzen leide. Da auf dem Attest dies nicht wortgleich angegeben war, hätte der Mann davon ausgehen dürfen, dass ein Arzt sich mit seinen Symptomen befasst hatte. Ihm konnte daher kein Vorsatz nachgewiesen werden, wonach er gewusst hätte, dass es sich um ein unrichtiges Gesundheitszeugnis handelte, urteilte das Gericht. www.anwaltauskunft.de/nd
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