- Politik
- Gerhard Trabert
Eintracht bei der Linken
Trabert-Nominierung schweißt die oft zerstrittene Partei zusammen
Tatsächlich stellt sich die Frage, was die Linke mit ihrer Nominierung eigentlich bezwecken will. Denn eine Chance auf den Sieg hat sie nicht. Ob die Kandidatur des Sozialmediziners dazu führt, dass es in der politischen Debatte auch künftig mehr ums Soziale geht, ist ebenso fraglich – schließlich dürfte die öffentliche Aufmerksamkeit nach der höchstwahrscheinlichen Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier (SPD) schnell wieder auf andere Themen gerichtet sein: Corona-Krise, Ukraine-Konflikt. »Natürlich sehe ich diese Gefahr«, sagt Trabert und ergänzt: Für ihn sei Sozialpolitik eine Querschnittsaufgabe, »das muss in jedem Ministerium mitgedacht werden«. Wenn beispielsweise der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sage, die Lebensmittelpreise müssten erhöht werden, dann »hat er eventuell recht, aber dann muss er auch vermitteln, wie ein Hartz-IV-Bezieher sich das leisten kann«.
In der Ampel-Koalition ist die Klimapolitik eine Querschnittsaufgabe, sie durchzieht das Außenministerium (internationale Klimapolitik) von Annalena Baerbock, das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck sowie die Ressorts Umwelt und Ernährung – alle von den Grünen besetzt. Trabert wünscht sich diesen breiten Ansatz auch für die Sozialpolitik.
Der wichtigste Grund, der aus Sicht der Linkspartei für die Nominierung spricht, ist aber: Gerhard Trabert schweißt die sonst oft zerstrittene Partei zumindest für kurze Zeit zusammen. Er ist der gemeinsame Vorschlag der Partei- und Fraktionsführung, dem Vernehmen nach kommt der Sozialmediziner in allen Lagern gut an – das hat Seltenheitswert. Hat es zuletzt immer wieder Streit gegeben, etwa um die Besetzung des Klimaausschuss-Vorsitzes mit Klaus Ernst, vermag es Gerhard Trabert, diese Konflikte vorerst zu überstrahlen. »Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl haben wir durch diese Personalie eine große Einigkeit hergestellt«, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte. Vorerst, wohlgemerkt.
Schon 2017 ist die Linke mit dem Thema Sozialpolitik angetreten, damals kandidierte der Armutsforscher Christoph Butterwegge und erhielt 10,2 Prozent der Stimmen – und damit ebenso viele wie die NS-Aufklärerin Beate Klarsfeld im Jahr 2012.
Etwas flapsig könnte man formulieren: Zumindest auf die große Bedeutung der Sozialpolitik können sich noch alle Linken einigen. »Die soziale Frage ist quer durch alle Politikbereiche zu stellen«, sagt Korte, ganz im Sinne seines Kandidaten.
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