Fukushimas Atomklo

UN-Atomenergiebehörde soll Japans Pläne zum Umgang mit verstrahltem Kühlwasser prüfen

  • Felix Lill, Tokio
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Ruine von Fukushima wird allmählich zu einem Wasserpark. Seit vor fast elf Jahren das Atomkraftwerk an der japanischen Nordostküste havarierte, müssen die betroffenen Reaktoren laufend mit Kühlwasser versorgt werden. Doch was einerseits noch größere Schäden vermieden hat, sorgt andererseits für einen derartigen Platzmangel, dass sich die Regierung in Tokio schon seit Jahren fragt: Wohin mit dem verbrauchten und verstrahlten Wasser? Die kontroverse Debatte führte zu einer Antwort, die schon im April vergangenen Jahres verkündet wurde: in den Ozean.

Was den japanischen Krisenmanagern als einzige logistisch praktikable Möglichkeit erschien, sorgte international schnell für Aufregung. Nicht nur Umweltschutzorganisationen halten den Plan für verantwortungslos, weil Tieren wie Pflanzen im Meer geschadet werde und daher dem gesamten Ökosystem. Auch die Nachbarstaaten China und Südkorea haben deutliche Kritik geübt.

Nun bemüht sich die japanische Regierung um Streitschlichtung - allerdings nicht etwa, indem sie die Pläne ändert. Sie erhofft sich Rückendeckung durch ein Gutachten von oberstem Rang. Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sind seit diesem Montag vor Ort, um vier Tage lang die Pläne und die Vorkehrungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Die UN-Sonderorganisation mit Sitz in Wien teilte mit, Japans Regierung habe »die Unterstützung der IAEA angefragt, um sicherzustellen, dass das Vorhaben im Rahmen internationaler Sicherheitsstandards erfolgt, ohne der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt zu schaden«.

Am 11. März 2011, als Japan zuerst von einem Erdbeben der Stärke 9,0 erschüttert worden war und kurz darauf um die 20 Meter hohe Tsunamiwellen die Nordostküste überschwemmten, kam es in dem am Meer stehenden Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zu einem Super-GAU. In der Dreifachkatastrophe, der schwersten in Japans jüngerer Geschichte, starben an die 20 000 Menschen, Hunderttausende verloren ihr Zuhause. Bis heute sind ganze Orte unbewohnbar. Für die Kühlung der Atomruine fallen täglich 140 Tonnen Wasser an, das inzwischen in mehr als 1000 Tanks auf dem Gelände gelagert wird. Die Kapazitäten sind bald erschöpft.

Die Pläne der AKW-Betreiberfirma Tepco sehen konkret wie folgt aus: Vor der Einleitung in den Ozean wird mithilfe einer Technologie namens ALPS das kontaminierte Kühlwasser gefiltert. 1,7 Millionen Tonnen sollen danach durch einen rund einen Kilometer langen Tunnel in den Pazifik gepumpt werden. Umstritten ist die Qualität des Filterprozesses. Denn während viele schädliche Stoffe herausgefiltert werden können, gelingt dies nicht gleichermaßen mit Tritium. Tepco argumentiert, die übrig bleibenden Mengen seien gering und nicht schädlich, zumal wenn das Wasser noch verdünnt werde.

Von den IAEA-Kontrolleuren soll auch hierzu eine unabhängige Einschätzung kommen. Dabei ist nicht zu erwarten, dass das Urteil allzu kritisch ausfallen wird. Die seit 1957 bestehende Institution soll laut Satzung »den Beitrag der Atomenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand auf der ganzen Welt« beschleunigen und vergrößern. Auch in der Praxis gilt deren Herangehensweise an Themen rund um die Atomkraft als eher wohlwollend.

Japanische Wissenschaftler, die mit der IAEA zusammenarbeiten, sind schon länger von der Idee überzeugt, das behandelte Wasser in den Ozean abzulassen. Auf die Frage, ob etwa das Surfen vor der Küste Fukushimas danach nicht gesundheitsgefährdend sei, sagte Akashi Makoto vom Nationalen Institut für Strahlenforschung, radioaktives Wasser vermische sich im Meer derart schnell, dass die Konzentration nur noch sehr gering sei. Die Sonnenstrahlung sei gesundheitlich riskanter.

Dabei geht es bei der Kontroverse nicht nur um die tatsächlichen Gefahren, sondern auch um die wahrgenommenen. Gerade Fischereiverbände an der japanischen Küste wenden sich seit Jahren gegen die Meeresverklappung, weil sie einen Vertrauensverlust bei heimischen Verbrauchern und im Ausland befürchten. Während die EU mittlerweile wieder Lebensmittelimporte aus Fukushima und den angrenzenden Präfekturen erlaubt, gelten die nach dem Atom-GAU verhängten Importstopps in China und Südkorea weiterhin. Taiwan hob diese erst diesen Monat auf.

Geht es nach Japans Regierung, soll ab dem Frühjahr 2023 begonnen werden, das gefilterte Kühlwasser in den Ozean zu leiten. Dass ein Gutachten von der IAEA bis dahin die Wogen glätten wird, die zwischen Tokio sowie den Fischerverbänden, Nachbarstaaten und Umweltorganisationen entstanden sind, ist aber unwahrscheinlich.

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