- Berlin
- Aufstand der letzten Generation«
Aufstand am Airport
Klimaaktivisten wollen Lebensmittel und die Welt retten und hierfür weiter die Infrastruktur stören
Was haben die Klimaaktivisten der Gruppe »Aufstand der letzten Generation« nicht schon probiert, um sich Gehör zu verschaffen: am Kanzleramt in den Hungerstreik treten, dort Losungen an die Wand pinseln und davor Kartoffeln pflanzen. Zuletzt blockierten sie seit 24. Januar deutschlandweit rund 60 Mal Autobahnen und Bundesstraßen, um zunächst ihre erste Forderung durchzusetzen: Der Bundestag soll per Gesetz erlauben, weggeworfene Lebensmittel aus den Müllcontainern der Supermärkte zu nehmen und so der Verschwendung Einhalt zu gebieten.
Was Kanzler Olaf Scholz (SPD) der Gruppe sagte, stellte diese nicht zufrieden. Gesprächstermine mit den Abgeordneten Susanne Mittag (SPD) und Renate Künast (Grüne) an diesem Mittwoch und Donnerstag will sie nicht mehr abwarten. Wenn die Regierung ein Ultimatum verstreichen lasse und nicht bis Sonntagabend erkläre, wann ein Essen-Retten-Gesetz in den Bundestag eingebracht werde, wollen die Aktivisten ab Montag »die Infrastruktur wie Häfen und Flughäfen massiv stören«, kündigte »Aufstand«-Sprecherin Carla Hinrichs am Sonntagvormittag an. Wo, wann und wie gestört werden soll, wollte sie nicht verraten, damit die Polizei nicht davon erfährt und es verhindert. Dass Beamte früh an der Wohnungstür klopfen, mache den Aktivisten Angst, sagte Hinrichs. Doch die Angst vor der Klimakatastrophe sei größer. Deshalb lasse man sich nicht einschüchtern - auch nicht von 210 Verhaftungen bei der Blockade von Straßen.
Ob die Gruppe nur Terminals besetzen möchte oder auch Landebahnen, was nicht nur für die Klimaschützer lebensbedrohlich wäre, sondern auch für die Crews und Passagiere von Flugzeugen? »Wir wollen keine Menschenleben gefährden«, versicherte Hinrichs. So plane man die Aktionen. Man leiste Widerstand »aus purer Liebe zu den Menschen auf diesem Planeten«, deren Existenz durch die Klimakatastrophe bedroht sei.
Ob eine Mehrheit der Bevölkerung die Methoden gutheißt, zu denen der »Aufstand der letzten Generation« greift, sei für die Gruppe nicht entscheidend. Hinrichs sieht eine Mehrheit für den Schutz der Umwelt und für das Retten von Lebensmitteln. Daran orientiert sie sich. Dass am Freitag in 14 deutschen Städten versucht wurde, Essen aus den Containern von Supermärkten zu retten, bestärke sie in ihrer Auffassung. Die Polizei habe leider an mehreren Orten Menschen wegen Diebstahls angezeigt, die sich beteiligten, und sie habe die Lebensmittel zurück in den Müll geworfen.
Die Berliner CDU-Abgeordnetenhausfraktion forderte am Sonntagmorgen erneut, die Gruppe in die Schranken zu weisen. »Es reicht«, erklärte Fraktionschef Kai Wegner. Dem Spuk müsse ein Ende gesetzt werden. »Der Rechtsstaat darf sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen. Es handelt sich hier nicht um Dumme-Jungen-Streiche, sondern um klare Straftaten.« Eine kleine Gruppe von Radikalen nehme eine ganze Stadt und die übergroße Mehrheit der arbeitenden Menschen in Geiselhaft. Das dürfe man nicht hinnehmen. Die Gesellschaft dürfe sich nicht erpressen lassen, forderte Wegner. Und: »Schluss mit falscher Toleranz. Rot-Grün-Rot in Berlin muss mit aller Konsequenz gegen die Blockierer vorgehen.«
»Die bringen nicht nur sich selbst in Gefahr, die Aktivisten, weil sie springen auf die Autobahn«, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Samstag dem RBB. »Es entsteht sofort ein Stau. Dass kein Auffahrunfall bisher war, da hatten wir nur Glück.« Sie toleriere die Blockaden nicht, sagte Spranger. Es werde geprüft, den Aktivisten die Kosten der Einsätze aufzubürden. Das schrecke diese nicht ab, stellte Carla Hinrichs klar.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.