Chinas fragiles Ukraine-Dilemma

Warum sich Peking im Konflikt um den Donbass in demonstrativer Zurückhaltung übt

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

China übt sich zum Ukraine-Konflikt in demonstrativer Zurückhaltung. Als sich Außenminister Wang Yi am Dienstag an die Öffentlichkeit wandte, schwang in jeder Silbe die Bemühung mit, einen delikaten Drahtseilakt zu vollbringen: Alle Seiten sollen angesichts der sich »verschlechternden« Lage in der Ukraine »Differenzen durch Dialog und Verhandlungen« lösen, sagte Chinas Spitzendiplomat. Und bereits am Wochenende stellte er bei der Münchener Sicherheitskonferenz klar: Man sei zwar gegen eine Osterweiterung der Nato, jedoch auch für den Schutz der territorialen Integrität der Ukraine.

Solch eine diplomatische Rhetorik mag überraschend erscheinen für eine Regierung, die erst zu Beginn des Monats den russischen Präsidenten Wladimir Putin als ersten Staatschef seit über zwei Jahren in Peking begrüßt hat. Tatsächlich sind die bilateralen Beziehungen zwischen Peking und Moskau dieser Tage auf einem historischen Rekordhoch: Beide Staaten eint das Interesse, einen Gegenblock zur von den USA angeführten Weltordnung zu bilden. Und dennoch zeigt die jetzige Ukraine-Krise ganz deutlich auf, dass die »nicht enden wollende« Kooperation zwischen den zwei Ländern sehr wohl ihre Grenzen hat. Fest steht: Eine russische Invasion in der Ukraine wäre ganz und gar nicht im Sinne Chinas.

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Der siebenköpfige ständige Ausschuss des Politbüros unter Führung von Xi Jinping versucht derzeit unter Hochdruck, hinter verschlossenen Türen zu einem Konsens zu gelangen. Doch bereits jetzt steht fest, dass China auch im bestmöglichen Szenario nicht jede seiner diversen Interessen durchsetzen kann.

Einerseits möchte man die enge Freundschaft mit Moskau beibehalten, gleichzeitig aber auch den Handel mit der Ukraine weiterführen - nicht zuletzt, weil das Land Teil der chinesischen »Belt and Road«-Strategie ist. Ebenso versucht Peking zu verhindern, dass die bereits angespannten Beziehungen mit den USA noch weiter eskalieren. Und genauso wichtig ist es der Volksrepublik, dass Russland nicht mit zusätzlichen Sanktionen vom Westen belegt wird. Denn diese würden sich unweigerlich auch auf China auswirken.

Theoretisch könnte Peking seinem Partner Moskau dabei helfen, die Wirtschaftsrepressionen größtenteils abzufedern. Der Handel zwischen den zwei Staaten ist schließlich im Vorjahr um über ein Drittel auf 147 Milliarden Dollar gestiegen - und damit bereits fast auf dem Niveau des Handelsvolumens zwischen Russland und der EU. Doch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Peking und Moskau sind höchst asymmetrisch: Während China längst der wichtigste Handelspartner für Russland ist, macht dessen Anteil am chinesischen Außenhandel weniger als drei Prozent aus.

Sollte China den wirtschaftlichen Sanitäter für Moskau spielen, wäre dies mit einem extrem hohen Preis versehen: Die EU, die nach wie vor zwischen den USA und China oszilliert, würde dadurch deutlich stärker »in die Arme« Washingtons getrieben. Vor allem aber würden die USA ihrerseits weitere Sanktionen gegen chinesische Firmen auf den Weg bringen. Welch schwerwiegende Folgen das haben kann, hat die Causa des Telekommunikationsausrüsters Huawei bewiesen.

Dennoch kann es sich Peking auch nicht leisten, Moskau im Stich zu lassen. Denn damit würde man seinen wichtigsten strategischen Partner auf dem internationalen Parkett verlieren. Genau dessen Rückendeckung braucht China jedoch auf lange Sicht: Russland nämlich würde Xi Jinping diplomatisch bei seinem Ziel unterstützen, Taiwan zu annektieren. Fabian Kretschmer

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