Tamilen fordern Schutz vor Abschiebung

Bundesweiter Aktionstag für Bleiberecht und Aufarbeitung der Kriegsverbrechen srilankischer Militärs geplant

  • Henning von Stoltzenberg
  • Lesedauer: 4 Min.

»Menschenrechte für Tamil Eelam« - so lautet das Motto eines Aktionstages am Samstag, zu dem Aktive der tamilischen Community in Deutschland in über 50 Städten aufrufen. Geplant sind Menschenketten und Demonstrationen, die überall zeitgleich von 14 bis 16 Uhr stattfinden sollen. Mit Informationsständen und in Redebeiträgen soll auf die Situation der Bevölkerung in den tamilischen Gebieten im Norden und Osten Sri Lankas aufmerksam gemacht werden.

Explizit eingeladen sind Vertreter*innen verschiedener Institutionen und weiterer migrantischer Communitys, politischer Parteien, Gewerkschaften, Kirchengemeinden und sozialer Bewegungen. Anlass der Aktionen ist die bevorstehende Tagung des UN-Menschenrechtsausschusses in Genf. Am 7. März wird dort erneut auch über die Lage in Sri Lanka beraten. Der Volksrat der Eelam Tamilen in Deutschland e.V., Initiator des Aktionstages, erhofft sich, mit den Aktionen Druck auf die deutsche Politik entfalten zu können.

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»Die internationale Gemeinschaft inklusive der Bundesrepublik Deutschland nimmt nicht ausreichend Notiz von der Situation der eelam-tamilischen Bevölkerung in Sri Lanka und setzt sich kaum für ihre Belange ein«, kritisierte Vereinssprecher Agilan Waradarajah im Gespräch mit »nd«. Von der neuen Bundesregierung fordere man, dass sie sich beim UN-Menschenrechtsausschuss und darüber hinaus für die Belange der Tamilen im Exil einsetze. Vorherige Regierungen hätten dies versäumt. Der Völkermord des Jahres 2009 müsse endlich von einer unabhängigen internationalen Kommission aufgearbeitet werden, fordert Waradarajah. Darauf zu warten, dass die amtierende sri-lankische Regierung entsprechende Schritte unternehme, führe zu nichts, da die damaligen Militärs die heutigen Machthaber seien, allen voran Präsident Gotabaya Rajapaksa.

Im Mittelpunkt werden am Samstag vier Forderungen stehen. Neben der Aufarbeitung der Kriegsgeschehnisse verlangt die Exilgemeinde das Selbstbestimmungsrecht für die Bevölkerungsminderheit auf der Insel. Enteignungen und Vertreibungen in den tamilischen Gebieten müssten ebenso aufhören wie die Zerstörung von kulturellen und politischen Denkmälern durch das sri-lankische Militär. Zuletzt hatte in diesem Zusammenhang im Januar 2021 die Zerstörung eines Denkmals auf dem Gelände der Universität in Jaffna im Norden des Landes für während des Bürgerkrieges ermordete Tamilen für Proteste gesorgt.

Der Volksrat und die anderen tamilischen Verbände in der Bundesrepublik fordern zudem einen sofortigen und dauerhaften Abschiebestopp nach Sri Lanka. Im März 2021 hatte es erstmalig seit Jahren wieder eine Sammelabschiebung aus mehreren Bundesländern gegeben, darunter Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

Bereits seit dem 16. Februar sind sieben Studierende aus Großbritannien per Fahrrad über Ländergrenzen hinweg unterwegs. Mit ihrer Tour wollen sie international für öffentliche Aufmerksamkeit für die Lage der Tamilen sorgen. Am Samstag werden sie in Saarbrücken erwartet, wo sie sich in eine Menschenkette einreihen wollen. Die Aktivisten wollen dem Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) ihre Forderungen übergeben.

Am Montag hatten Tamilen vor dem Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg demonstriert und der Parlamentsverwaltung zentrale Forderungen an die EU sowie Dokumente mit Zeugenaussagen über Kriegsverbrechen des sri-lankischen Militärs übergeben.

In Deutschland erfährt die tamilische Kampagne unter anderem vom NRW-Landesverband der Linkspartei Unterstützung. Katja Heyn, migrationspolitische Sprecherin im Linke-Landesvorstand, kritisiert, es sei unverantwortlich, Menschen aus ihrer sicheren Umgebung zu reißen und in den »Folterstaat Sri Lanka« abzuschieben. Daher fordere Die Linke einen »sofortigen, umfassenden und dauerhaften Abschiebestopp« für Tamilen.

Auch Landesvorstandsmitglied Shoan Vaisi positionierte sich klar: »Völkermord und Kriegsverbrechen des sri-lankischen Militärs im Jahr 2009 müssen endlich als solche anerkannt und von einer unabhängigen Untersuchungskommission aufgeklärt werden.« Vaisi erinnert daran, dass in dem Inselstaat im Indischen Ozean bis heute mehr als 146 000 Personen vermisst werden. »Die tamilische Bevölkerung hat einen Anspruch auf universelle Menschenrechte und ihr Selbstbestimmungsrecht«, erklärte Vaisi.

Von Mitte der 1970er Jahre bis zum Mai 2009 tobte in dem Land ein Bürgerkrieg zwischen dem sri-lankischen Staat und der sozialistischen LTTE (Liberation Tiger of Tamil Eelam), die für einen unabhängigen Staat für die tamilische Minderheit eintrat. Der De-facto-Staat Tamil Eelam wurde mit dem Einmarsch sri-lankischer Truppen zerstört, die LTTE militärisch besiegt.

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