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Medizinischer Nachwuchs fehlt

Im Norden Marzahns sind die Ärzte zusammen mit Anwohnern alt geworden

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Bürgerstammtisch ist gut besucht: Etwa 30 Anwohner*innen des Stadtteils Marzahn NordWest, nördlichster Zipfel des Bezirks Marzahn-Hellersdorf, möchten am Freitag im »Kiek in« mit Politiker*innen und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) über die schlechte medizinische Versorgung in ihrem Kiez diskutieren. »Was ist denn jetzt mit der Situation, dass wir keine Termine bei Hausärzt*innen bekommen?«, so die Frage des Abends, formuliert von Marion Baumann, von der Kiez-Initiative »Gemeinsam statt einsam« und Moderatorin der Podiumsdiskussion.

»Hier in Marzahn Nord wohnen 94 Einwohner pro Hektar, das sind doppelt so viele wie im Bezirksdurchschnitt. In ganz Berlin wohnen durchschnittlich 42 Einwohner auf einem Hektar zusammen«, sagt Baumann. Zur hohen Bevölkerungsdichte komme noch die Geschichte des Bezirks dazu. »Wir sind ein künstlich errichteter Bezirk. Die Ärzte, die damals mit uns hierher gezogen sind, sind inzwischen auch mit uns alt geworden. Wir brauchen dringend junges medizinisches Personal«, so Baumann.

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Susanne Hemmen von der KV schildert den Bürger*innen die Lage aus Sicht ihrer Vereinigung, die die Niederlassungen von Ärzt*innen steuert. »Wir kennen die Lage und sie ist sehr bedenklich. Es gibt keine Termine und für Fachärzt*innen muss man sehr weit fahren«, sagt Hemmen. In Berlin seien es die Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick, in denen die hausärztliche Versorgung deutlich schlechter ist als im Rest der Stadt. »Wir haben da bereits einiges gemacht, das ist allerdings noch nicht allzu sehr zu spüren«, räumt Hemmen ein.

Seit 2020 gebe es einen neuen Bedarfsplan für die Bezirke. Alle bis auf die drei mangelnd versorgten Ost-Bezirke seien für Niederlassungen von Hausärzt*innen gesperrt. »2021 konnten wir dadurch acht Ärzt*innen hierher holen«, sagt Hemmen. Bisher sei so aber nur der Status Quo erhalten geblieben, denn in allen Fällen habe es sich um bereits bestehende Praxen gehalten, in denen in Rente gegangene Ärzt*innen ersetzt werden konnten. »Seit Anfang des Jahres ist außerdem ein sehr großes Förderprogramm aktiv. Ärzt*innen, die sich hier niederlassen, können bis zu 60 000 Euro von der KV als Förderung erhalten, um ihre Praxis aufzubauen, die nicht zurückgezahlt werden müssen«, fährt Hemmen fort. Als letzte Maßnahme stellt Hemmen ein von der KV gegründetes Praxisunternehmen vor, dessen Geschäftsführerin sie ist. »Wir wollen selbst Arztpraxen aufmachen und Ärzt*innen in den drei Bezirken einstellen, in denen sie fehlen«, sagt sie. Aktuell suche man allerdings nach Räumlichkeiten, was sehr schwierig sei, weil in den Bezirken entsprechende Gewerbeflächen fehlten.

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Die Unzufriedenheit mit der ärztlichen Infrastruktur ist groß und zeigt sich im Laufe der Veranstaltung immer wieder in Zwischenrufen und sogar wütenden Redebeiträgen der Anwohner*innen.

Eingeladen zur Podiumsdiskussion ist auch der CDU-Politiker und Präsident des Berliner Roten Kreuzes Mario Czaja, der zum allgemeinen Unmut der Anwesenden beiträgt, in dem er zunächst lange auf sich warten lässt. Seine Analyse der Situation in Marzahn-Hellersdorf, die er schließlich bei Ankunft beim Bürgerstammtisch ausführt, schafft dann nur bedingt Abhilfe.

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»Das ist ja alles sehr informativ, Herr Czaja, aber das wissen wir doch alles schon«, sagt die 80-jährige Marianne Marquardt, eine der anwesenden Bürger*innen, nach dem Redebeitrag des Politikers. »Wir sind doch heute hergekommen, weil wir uns hier am Standort, am Zipfel von Marzahn, vernachlässigt fühlen. Das bringt uns ja nichts, wenn die Ärzte nach Hellersdorf gehen, da ist die Versorgung ja schon deutlich besser als hier«, so Marquardt.

Antworten auf das spezifische Problem im Norden Marzahns können weder Susanne Hemmen noch Mario Czaja geben. Es sei schon ein großer Kampf gewesen, dass die KV Berlin nicht mehr als einzigen Planungsbereich behandele, erklärt Czaja. »Noch kleinteiliger kann nicht gesteuert werden, wo im Bezirk sich Ärzte niederlassen.«

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Auch die neue Marzahn-Hellersdorfer Gesundheitsstadträtin Nicole Bienge (SPD) wirkt ratlos angesichts der schwierigen Situation. »Ich bin erst seit drei Monaten im Amt und muss mich noch einfinden im Gesundheitsbereich«, erklärt sie. Um sich dem Problem zu nähern, fragt sie die Anwohner*innen, in welchem Bereich es denn am meisten an Fachärzt*innen fehle. »In allen!«, lautet die einhellige Antwort der Anwesenden, die daraufhin nahezu alle medizinischen Fachgruppen aufzählen, die es gibt.

»Wir nehmen wahr, dass Sie unzufrieden nach Hause gehen werden. Aber wir werden an dem Thema dran bleiben und alles versuchen, um Verbesserungen zu erreichen«, schließt Marion Baumann die Veranstaltung.

»Die Situation der mangelnden Infrastruktur hier im Stadtteil und die ungleiche Verteilung zwischen dem Süden und dem Norden des Bezirks sind uns auf jeden Fall als Problem bekannt«, sagt Stadträtin Bienge anschließend zu »nd«. Nur an wirksamen Lösungsansätzen scheint es bisher zu mangeln.

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