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Existenzangst bei Frauenprojekten
Mögliche Kürzungen im Berliner Doppelhaushalt bedrohen auch Angebote für marginalisierte Menschen
Die vielfältige Beratungslandschaft Berlins wird zu einem großen Teil von Projekten gestemmt, die Jahr für Jahr um ihre Finanzierung bangen müssen. Im Zuge der aktuellen Verhandlungen um den Doppelhaushalt 2022/2023 schlägt das Berliner Frauennetzwerk mit der Kampagne »Feministische Projekte sicher finanzieren« nun Alarm. Denn folgt man Ankündigungen aus dem Haus von Gleichstellungssenatorin Ulrike Gote (Grüne), drohen den Projekten massive Kürzungen ihrer Mittel.
»Wir haben seit Jahren mehr Bedarf - und seit der Pandemie gehen die Beratungsanfragen durch die Decke«, sagt Bernhild Mennenga. Sie arbeitet in der Projektleitung des Bildungs- und Beratungszentrums »Raupe und Schmetterling - Frauen in der Lebensmitte«. In der Sozialberatung zum Beispiel sei zu sehen, wie die Problemlagen immer komplexer werden, sagt Mennenga. »Wir bemerken seit zwei Jahren eine deutlich gestiegene psychische Belastung, zum Beispiel durch die Anforderungen von Homeoffice und Kinderbetreuung.« Gerade allein lebende Frauen seien dabei stark auf Unterstützung angewiesen. »Die Isolation ist ein sehr großes Problem, aus der Pandemie entstehen psychische Langzeitfolgen«, sagt die Sozialberaterin.
Statt den gestiegenen Bedarfen nachzukommen, drohen mit dem neuen Haushalt in den kommenden Jahren Kürzungen der entsprechenden Projektgelder. »Allein den feministischen Projekten wurden im letzten Jahr 600 000 Euro weniger Gelder von der Gleichstellungsverwaltung angekündigt«, sagt Mennenga mit Blick auf den ersten Entwurf zum Doppelhaushalt aus dem Sommer 2021. Insgesamt seien Einsparungen von 4,9 Millionen Euro im Bereich der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung geplant, das sei den entsprechenden Projekten im Januar per Brief angekündigt worden.
Die Folgen wären gravierend. Im Frauenzentrum »Evas Arche« in Mitte etwa wären die Leitungs- und die Finanzstelle in Gefahr. »Die machen viel Beratung und viel aufsuchende Arbeit, gerade während der Pandemie, für alleinstehende ältere Frauen. Wenn die Stellen, die das alles zusammenhalten, wegfallen, wäre das katastrophal«, sagt Mennenga. Ein anderes Beispiel: die »Schokofabrik« in Kreuzberg. Dort sei der Nachhilfeunterricht für Mädchen gefährdet. »Ich kann im Moment nur im Konjunktiv sprechen, weil uns der aktuelle Haushaltsentwurf noch nicht vorliegt«, sagt Mennenga. Tatsächlich wird das endgültige Haushaltsgesetz erst im Frühling, möglicherweise sogar erst im Sommer vom Abgeordnetenhaus verabschiedet.
Die feministischen Projekte fordern schon seit Langem eine langfristige Finanzierung, kein Hangeln mehr von Projektantrag zu Projektantrag und von Haushalt zu Haushalt. »Wir übernehmen einen großen Teil der Versorgungsaufträge für Menschen in existenziellen Krisen«, sagt Sozialberaterin Mennenga. Die Projekte müssten dementsprechend finanziell abgesichert werden.
Dazu gehörten auch die Angebote für geflüchtete Frauen, die an die feministischen Projekte angegliedert sind und seit 2016 über den Masterplan Integration und Sicherheit finanziert werden - von Übersetzungsangeboten bis zu mobilen Beratungen für geflüchtete Frauen bei sexualisierter Gewalt. Der Masterplan lief indes nur bis Ende 2021. Ob die Angebote trotzdem weiter finanziert werden, sei ungewiss, so Mennenga: »Klar ist, dass weiterhin Menschen hier ankommen werden, die unsere Unterstützung brauchen. Mein Appell ist, erfolgreiche Projekte in die bestehende Beratungslandschaft zu integrieren.«
Das Tauziehen um die einzelnen Posten im nächsten Doppelhaushalt ist gerade erst angelaufen. Am Dienstag hat die Gesetzesvorlage von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) den Senat passiert. Nun sind das Abgeordnetenhaus und die Fachausschüsse am Zug. »Das heißt, eine inhaltliche Befassung zu Detailthemen erfolgt dann in diesem Rahmen« sagt Joanna Itzek, Sprecherin der Berliner Integrationsbeauftragten, zur Finanzierung der Projekte des Masterplans Integration und Sicherheit nach dessen Ablauf.
Die Gleichstellungsverwaltung versichert, man plane damit, alle Projekte der Abteilung Frauen und Gleichstellung auf demselben Niveau wie im Vorjahr finanzieren zu können. »Nach dem Senatsbeschluss über den Haushalt sollen die Mittel für Projektförderung der Abteilung für 2022 insgesamt um über drei Millionen Euro und für 2023 insgesamt um über zwei Millionen Euro erhöht werden. Die letztliche Entscheidung darüber liegt aber beim Abgeordnetenhaus«, heißt es auf nd-Anfrage. Eine andere Finanzierung als über die zweijährige Projektfinanzierung sei nicht möglich, sagt sie.
Das Berliner Frauennetzwerk will weiter Druck auf die politischen Verantwortlichen machen. Zunächst soll es zum feministischen Kampftag am 8. März eine Kundgebung auf dem Nettelbeckplatz in Wedding geben. Danach will man sich die heiklen Details in dem mehrere Tausend Seiten starken Haushaltsplanentwurf genau anschauen, um den weiteren Kampf für eine gesicherte Finanzierung zu planen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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