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Die Volksrepublik als Vorbild
Kein anderes Land schirmt sein Internet so sehr ab wie China
Trotz seiner bereits 22 Jahren an der Macht hat Wladimir Putin nach wie vor kleine Nischen der Freiheit geduldet. Oppositionelle Kandidaten konnten weiterhin ihre Positionen verkünden, solange ihre Popularität nicht allzu sehr anstieg. Ein paar verbliebene Medien publizierten - zwar unter teils körperlicher Gefahr - weiterhin investigative Recherchen.
Doch seit Russlands Truppen in die Ukraine einmarschiert sind, werden wohl all diese Bastionen des zivilen Ungehorsams der Vergangenheit angehören. Die Regierung hat, angelehnt am Vorbild China, eine digitale Mauer über sein Internet gezogen und damit auch den Informationsfluss systematisch kontrolliert: Der Zugang zu Facebook und Twitter scheint derzeit blockiert zu sein, Tiktok und Netflix haben ihre Dienste in Russland offenbar aus eigenen Stücken eingestellt und ein neues Gesetz bestraft Journalisten mit bis zu 15 Jahren Gefängnis, wenn diese »Falschinformationen« über den Krieg in der Ukraine publizieren.
In China ist dieser Ausnahmezustand seit Jahren bereits Normalität. Denn die digitale »Mauer«, die Putin derzeit um das russische Internet hochzieht, hat die Parteiführung in Peking bereits seit über einem Jahrzehnt errichtet. Mehr noch: Überwachung und Abschirmung gehen in China weit über das hinaus, wozu das technologisch rückständige Russland überhaupt in der Lage wäre.
Ausgelöst wurde die digitale Entkopplung durch den Arabischen Frühling: Der Führung in Peking war es nicht geheuer, wie schnell und effizient sich Jugendbewegungen durch sie Sozialen Medien mobilisieren können. Ein weiterer Katalysator bildete eine Recherche der »New York Times« aus dem Jahr 2012 über die Geheimkonten und horrenden Privatvermögen der führenden Regierungsmitglieder.
Infolgedessen hat Peking praktisch sämtliche Zugänge zu freier Information aus dem Ausland gekappt. Jede Online-Plattform, die hierzulande zum Alltag gehört, ist in China gesperrt: von WhatsApp über Facebook bis hin zu Twitter. Auch Instagram ist verboten, genau wie die Dienste von Google, Wikipedia und YouTube. Die großen angelsächsischen Nachrichtenseiten sind ohnehin bereits seit Jahren illegal, mittlerweile lassen sich auch viele deutschsprachige Online-Medien nicht mehr aufrufen.
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Die »große Firewall« wird diese Zensur auch genannt. Sie spielt auf die Kaiser der Ming-Dynastie an, die eine »Große Mauer« errichten ließen, um das Land vor Angreifern aus der Mongolei zu schützen. Die jetzige »Firewall« hat einen ganz ähnlichen Effekt: Unerwünschte Nachrichten, Informationen und Ideen sollen draußen bleiben. In wohl kaum einem anderen Land der Welt hat die Staatsführung die Ursprungsutopie des Internets so radikal in sein genaues Gegenteil verkehrt wie in China. Wer beispielsweise auf Baidu Baike - dem chinesischen Äquivalent der Online-Enzyklopädie Wikipedia - nach dem »Großen Sprung nach vorn« sucht, findet keinen Hinweis darauf, dass die Industrialisierungskampagne von Mao zur größten Hungersnot des 20. Jahrhunderts mit bis zu 50 Millionen Toten geführt hat.
Dass eine solche Parallelwelt auch für Putin attraktiv ist, steht außer Zweifel. Dennoch ist fraglich, ob ein solches Vorhaben langfristig gelingen kann. Der Fotograf einer US-Nachrichtenagentur, der jahrelang in Moskau und Peking arbeite und anonym bleiben möchte, sieht einen großen Unterschied: »In Russland war der Spalt zur Freiheit - im Gegensatz zu China - bereits relativ weit offen. Diese Tür wieder zu schließen ist nahezu unmöglich.«
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