Raus ohne Applaus

Wolfgang Hübner über den Parteiaustritt von Oskar Lafontaine

Der Schlussstrich, den Oskar Lafontaine unter seine Mitgliedschaft in der Linkspartei zieht, ist ein Abschied mit Ansage. Dass zwischen ihm und der Linken keine Harmonie mehr herrschte, war längst klar. Die großen Flüchtlingsbewegungen in Europa 2015 führten zu schweren Differenzen; ein Teil der Linken warf ihm nationale Anklänge vor. Die Entfremdung setzte sich mit der Coronakrise fort. Immer jedoch nahm die Linke-Führung Rücksicht auf den Mann, der für die Gründung der Partei von immenser Bedeutung war.

Dass er nun geht, ist einerseits Ergebnis eines langen, unappetitlichen Machtkampfs in der Saar-Linken, in dem Lafontaine letztlich am kürzeren Hebel saß – eine ungewohnte Erfahrung für jemand, der machtpolitisch immer genau wusste, was er wollte. Der Rückzug ist aber auch Ausdruck einer grundlegenden Kontroverse – Lafontaine wirft ja der gesamten Partei vor, sozial- und friedenspolitisch zu versagen.

Oskar Lafontaine ist ein Mann großer Aufbrüche und dramatischer Schlusspunkte. Legendär, wie er 1995 auf einem SPD-Parteitag aus dem Nichts heraus Parteichef Rudolf Scharping mit einer sozial- und friedenspolitischen Grundsatzansprache an die Wand redete und entmachtete. Wie er 1999 alles hinwarf, weil er schwere Differenzen mit Kanzler Schröder hatte. Wie er später dem Projekt Linkspartei entscheidend auf die Beine half.

Es kann passieren, dass man sich auseinanderlebt, privat wie politisch. Eine Trennung kann dann konsequent sein. Wer kurz vor einer Wahl eine Partei verlässt, die er aus längst nicht abgegoltenen Gründen mit aufgebaut hat, weiß genau, was er anrichtet. Die Linke im Saarland, die zur Genüge mit sich selbst zu kämpfen hat, wird das bitter zu spüren bekommen. Für Lafontaine mag das eine Genugtuung sein. Es wäre ein sehr schaler Triumph.

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