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  • Berlin
  • Sanktionen gegen russische Oligarchen

Der Rubel steckt im Betongold

Die Durchsetzung der Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges scheitert an Intransparenz - und Untätigkeit

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

»Wir müssen eine schnelle Lösung finden und die gibt es auch«, sagt Christoph Trautvetter zu »nd«. Dem beim Netzwerk Steuergerechtigkeit engagierten Finanzexperten geht es um die Durchsetzung der Sanktionen gegen russische Oligarchen im Immobiliensektor. Bis zu 50 Milliarden Euro an Vermögenswerten sollen diese Oligarchen nach Schätzungen deutschlandweit halten.

»Die Strafverfolgungsbehörden müssten die Katasterämter auffordern, ihnen die Daten als Excel-Tabelle zur Verfügung zu stellen. Diese könnten das in die bestehenden Datensysteme einspeisen und mit den Unternehmens-Registerdaten abgleichen«, so sähe laut Trautvetter die schnelle Lösung aus. Das könnte beispielsweise die hessische Polizei übernehmen, die seit einigen Jahren über Software des Unternehmens Palantir verfügt, die in großen Datenmengen Netzwerke erkennen kann. »Das könnte in zwei Tagen erledigt sein«, sagt Trautvetter. »Das wäre der Schritt, den irgendjemand machen müsste. Es hat ihn bisher aber noch niemand gemacht, weil sich keiner zuständig fühlt«, kritisiert er.

In einem gemeinsamen Projekt mit einer großen Zeitung habe er die Katasterdaten aller 16 Bundesländer in Tabellenform angefragt. Einzig das Saarland habe diese kostenfrei zur Verfügung gestellt, Hessen wollte dafür 50 000 Euro haben, Berlin habe überhaupt nicht reagiert. Weil in deutschen Grundbüchern den Eigentümern nicht die eindeutige Wirtschafts-Identifikationsnummer wie beispielsweise aus dem Handelsregistereintrag bei Firmen, zugeordnet ist, bleibt die Auswertung fehleranfällig.

»Die Franzosen können das schon. Dort wurde der komplette Datensatz 2021 ins Internet gestellt, inklusive der Identifikationsnummern«, berichtet Trautvetter. Durch die Verknüpfung dieses Datensatzes mit dem Transparenzregister, in dem die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten eines Unternehmens eingetragen sein müssen, konnten schon Besitztümer von Oligarchen gefunden werden, wie ein Hotel, das auf die Ehefrau eingetragen worden ist. »Die Villa an der Côte d’Azur kennt ja jeder. Es geht darum, das Gewerbeobjekt zu finden oder die Mietwohnung, wo der Oligarch nie auftaucht, sondern nur die Miete einstreicht«, so Trautvetter.

Doch auch hier gibt es Probleme, denn die Transparenzregister versagen häufig. Als wirtschaftlich Berechtigter gilt, wer mit mindestens 25 Prozent an dem Unternehmen beteiligt ist. Es gibt beispielsweise Fonds, an denen eine Person nominal nur zehn Prozent hält, einen Unterfonds aber komplett kontrolliert. »Eigentlich müssen die Notare bei einem Immobilienkauf den finalen Berechtigten feststellen, aber sie hören tatsächlich einfach irgendwann auf, weil sie nicht weiterkommen«, schildert Trautvetter die Praxis.

Als Notar und Rechtsanwalt arbeitet in Berlin Detlev Stoecker bei der Großkanzlei Luther. Er betreut das Hochhausprojekt Alexander Berlin Capital Tower für die russische Monarch-Group. Der im Bau befindliche, an das Einkaufszentrum Alexa angrenzende 150-Meter-Wohnturm ist vergangene Woche im Abgeordnetenhaus Thema gewesen. Es gebe aktuell Gespräche zur Bauleistungsverpflichtung, »weil es so aussieht, dass diese Gesellschaft dieser Verpflichtung nicht nachkommen kann, sodass man die vertraglichen Optionen in dem Zusammenhang eruieren muss. Dazu gehört auch gegebenenfalls der Rückfall«, sagt Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) auf die Frage eines CDU-Abgeordneten zu den Sanktionen gegen Russland. Monarch hat den mit dem Senat vereinbarten Zeitplan gerissen. Härteste Konsequenz wäre, dass Berlin den Verkauf des Grundstücks rückabwickelt.

»Die Probleme beim Baufortschritt sind nicht so dramatisch, wie sich das vielleicht anhört und liegen auch nicht im Verantwortungsbereich des Bauherren«, sagt Monarch-Anwalt Detlev Stoecker zu »nd«. Die Bauverzögerungen hätten zwei Gründe. »Der Abschluss der Nachbarschaftsvereinbarung mit dem Land hat deutlich länger gebraucht, weil wesentlich mehr Untersuchungen zum Einfluss der Errichtung des Towers auf den benachbarten Grunerstraßen-Tunnel erforderlich wurden, als zunächst erwartet. Und die Corona-Pandemie hatte viel längere Bearbeitungszeiten zur Folge«, so Stoecker weiter. Und er stellt klar: »Keine von Sanktionen betroffene Person ist an dem Projekt beteiligt. Die einzige Auswirkung ist, dass die Verfügbarkeit des jeweils nötigen Kapitals in Deutschland sichergestellt werden muss. Das sollte kurzfristig umgesetzt sein.«

Finanzsenator Wesener ging auch auf das grundsätzliche Problem ein. »Ein vermutetes Vermögen, ein vermutetes Eigentum ist bekanntlich nicht hinreichend. Hier wäre in der Tat wünschenswert - und ich freue mich, wenn sich die CDU auch auf Bundesebene dafür einsetzt -, dass wir im Bereich Geldwäsche, dass wir, was andere Transparenzregelungen haben, nachschärfen. Denn selbstredend wüssten wir gerne mehr über den einen oder anderen Eigentümer.« Da verwundert es nicht, dass der Justizverwaltung bisher kein Fall im Immobilienbereich bekannt ist, bei dem die Sanktionen Konsequenzen zur Folge gehabt hätten.

Bisher gibt es eine Handvoll bekannter Berliner Immobilientransaktionen aus der Vergangenheit, bei denen russische Oligarchen involviert waren, vor allem die Rotenberg-Brüder: beim Kudamm-Karree, dem Hotel Stue im Botschaftsviertel in Tiergarten, einem Villenkomplex am Grunewaldsee. Doch die Objekte sind längst verkauft.

»Es offenbart die politisch organisierte Verschleierungspolitik«, sagt die Linke-Abgeordnete Katalin Gennburg zu »nd«. »Berlin ist ein Eldorado für die ganz schlimmen Finger. Man muss endlich mal den Hebel umlegen, damit Transparenz in den Immobilienmarkt kommt«, fordert sie. Der Baubereich sei nicht nur einer der größten CO2-Emittenten, dort grassiere auch Korruption, die Spekulation führe zur Zerstörung der sozialen Stadt.

Gennburg freut es, dass die Einschläge für die Signa-Gruppe näherkommen, die in Berlin mehrere Großprojekte wie den geplanten Totalumbau des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz mit Unterstützung der SPD vorantreibt. Deren Großaktionär Hans Peter Haselsteiner ist auch mit seiner Privatstiftung maßgeblich am Baukonzern Strabag beteiligt. Am Mittwoch kündigte er den Syndikatsvertrag mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska, der noch nicht auf der EU-Sanktionsliste steht, allerdings von Kanada und Großbritannien sanktioniert wird.

Tatsächlich könnte die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit von Sanktionen bei den Regelungen zur in Deutschland besonders großen Intransparenz im Immobilienbereich etwas ins Rutschen bringen. Vielleicht ist das der Grund, warum die Bundesrepublik bei der am Mittwoch veröffentlichten jüngsten Stimmungsumfrage des Fondsverbands Inrev von der beliebtesten europäischen Anlageregion, die sie noch im Dezember war, auf den vorletzten von zehn Plätzen abgerutscht ist.

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