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Die Mischung macht’s

Studie legt nahe, dass Gemische hormonaktiver Chemikalien die Sprachentwicklung bei Kindern verzögern können

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 4 Min.

Verhaltensstörungen, ein erhöhtes Risiko von Diabetes, eine reduzierte Fruchtbarkeit, ein erhöhtes Risiko an Brustkrebs zu erkranken - die Liste möglicher Auswirkungen sogenannter Endokriner Disruptoren (EDCs), hormonaktiver Substanzen, ist lang. Dazu zählen manche Pestizide wie DDT oder Glyphosat, polychlorierte Biphenyle (PCBs), wie sie in Lösemitteln oder Schmierstoffen vorkommen, Bisphenol A, das sich in vielen Lebensmittelverpackungen findet, bromierte Flammschutzmittel in Elektrogeräten oder verschiedenste Weichmacher in Kunststoffen. Schon lange warnen Verbraucherschutz- und Umweltschutzgruppen, medizinische Fachgesellschaften, Chemiker*innen und das Bundesumweltamt (UBA) vor ihren Auswirkungen und setzen sich für eine umfassende Regulierung ein.

Zudem könnte sich der Effekt einzelner Stoffe durch Kombination mit anderen verstärken. Eine im Februar dieses Jahres im Fachjournal »Science« publizierte Studie eines Teams um Nicolò Caporale vom European Institute of Oncology in Mailand untersucht, wie sich ein Mix von 15 Chemikalien mit endokriner Wirkung auf die Gehirnreifung Ungeborener auswirken kann. Dabei beobachteten sie einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Exposition schwangerer Frauen und einer verlangsamten Sprachentwicklung der Kinder. Das Zehntel mit der höchsten Belastung wies im Alter von 2,5 Jahren 3,3-mal so oft eine Sprachverzögerung auf wie das mit der niedrigsten. »Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Chemikaliengemische bei der Testung und Risikobewertung miteinzubeziehen«, erklärt Caporale.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Thomas Hartung, Toxikologe und Direktor des Zentrums für Alternativen zu Tierversuchen an der Johns Hopkins University im US-amerikanischen Baltimore, begrüßt den Ansatz der Autor*innen: »Man nennt ihn Exposomics. Dabei schaut man in großen Bevölkerungsgruppen, welche Chemikalien oder deren Mischungen im Blut oder Urin mit klinischen Problemen korrelieren. Daraus leitet man dann eine Hypothese ab, was möglicherweise die Ursache des Problems ist. Mit gezielten Studien an Zellkulturen oder Tieren wird diese Hypothese dann überprüft.«

In Zeiten, in denen Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen bei Kindern immer häufiger auftreten, sieht Hartung in der Studie einen wesentlichen Beitrag bei der Suche nach Erklärungen. »Da sich Gene nicht so schnell ändern, geraten vor allem die Lebensumstände ins Visier. Chemikalien sind verdächtig, aber nur ein gutes Dutzend wurde als Gefahr für den Menschen eingestuft.« Eine Identifizierung weiterer Schadstoffe gehe nur langsam voran, da entsprechende Tierversuche sehr teuer seien. Der Professor für Toxikologie an der Universität Konstanz, Marcel Leist, beanstandet dagegen Mängel in der Methodik. So fehlten Einzeltestungen zur Kontrolle. »Meines Erachtens kann die Studie keine quantitativen Aussagen über menschliche Gefährdung machen. Es stößt die Diskussion aber natürlich weiter an«, sagt er.

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Alexandra Caterbow, Co-Vorsitzende der Expertenorganisation zu internationalem Chemikalienmanagement HEJSupport, sieht in den Chemikalien-Cocktails ein großes Problem: »Man weiß bei diesen Tausenden von Stoffen meist nicht, wie sie untereinander oder im menschlichen Körper reagieren«, erklärt sie. »Deshalb fordern wir bei der Revision der EU-Chemikalienverordnung REACH, dass ein Faktor eingeführt wird, der diese Gefahr mit einrechnet.« Wichtig sei bei den EDCs auch, dass dort nicht die Regel gelte, die Dosis macht das Gift. Vielmehr komme es bei einem möglichen Schaden auf den Zeitpunkt der Entwicklung des Fötus oder Embryos bei der Exposition an. Als positiv bewertet Caterbow, dass der Koalitionsvertrag der Bundesregierung ein Extrakapitel zur Chemiepolitik enthält, darin auch einen Nationalen Aktionsplan zu hormonverändernden Substanzen.

Auch das Bundesumweltamt meldet bei den EDC großen Handlungsbedarf: »Wir sehen diese besonders kritisch, weil wir ihre langfristige Wirkung auf die Umwelt nicht sicher abschätzen können. Verschiedene Organismen reagieren auf sie unterschiedlich empfindlich und Langzeitfolgen können zeitlich und räumlich von der eigentlichen Exposition entkoppelt sein. Deshalb muss ihr Eintrag in die Umwelt möglichst minimiert werden«, sagt Frauke Stock, Leiterin des Fachgebiets Chemikalien.

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