Verfolgung über Staatsgrenzen hinweg

In Missouri wollen die Republikaner Hilfe für Abtreibung in anderen US-Bundesstaaten kriminalisieren

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eine weitere Verschärfung im Kampf darum, Schwangerschaftsabbrüche unmöglich zu machen, den konservativ regierte Bundesstaaten in den USA seit Jahren und Jahrzehnten führen. Missouri will es in Zukunft möglich machen, die Helfer*innen der eigenen Bürger zu bestrafen, wenn diese in andere Bundesstaaten reisen, um Abtreibungen vorzunehmen. Ein Gesetzesentwurf dazu wurde ins Staatsparlament eingebracht und könnte ab jetzt jederzeit verabschiedet werden.

Laut dem Gesetz könnten Privatpersonen dann Helfer*innen verklagen, die etwa Abtreibungswillige über Staatsgrenzen transportieren oder Ärzt*innen aus anderen Bundesstaaten. Abtreibungshelfer*innen könnten dann mit Strafen bis zu 10 000 Dollar belegt werden. Abtreibende selber würden nicht belangt, trotzdem werde das Gesetz eine »einschüchternde« Wirkung haben, sagt etwa die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU).

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Eingebracht hat den Gesetzesentwurf die rechte Republikanerin Mary Elizabeth Coleman. Sie wolle »Schutz für geborenes und ungeborenes Leben« und »Einwohner schützen, wo auch immer sie sich befinden«. Die Abgeordnete aus dem Staatsparlament, in dem die Republikaner eine absolute Mehrheit haben, versucht derzeit ihr Gesetz als Anhang zu einem von mehreren derzeit diskutieren Gesundheitsgesetzen verabschieden zu lassen. Mit dem Entwurf zielt Coleman laut eigenen Angaben vor allem auf eine Klinik für Schwangerschaftsabbrüche, die die Organisation Planned Parenthood betreibt. Sie liegt nahe der Großstadt St. Louis, direkt östlich auf der anderen Seite des Mississippi im demokratisch regierten Illinois, und wurde speziell dafür errichtet, Menschen im republikanischen Missouri einen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu gewähren.


Republikaner-Staaten gegen Demokraten-Staaten

Mit dem Gesetz aus Missouri ist nun eine weitere Runde im Kampf zwischen Abtreibungsgegner*innen, einer Koalition aus christlichen Aktivist*innen, die vor einer »aggressiven Industrie, die pro-life-Gesetze umgeht« warnen und willfährigen Republikaner-Abgeordneten, die die konservative Basis zufriedenstellen wollen und Demokraten-Parlamentarier*innen, Frauenrechtsaktivist*innen und demokratisch regierten Staaten, die den Zugang zu Abbrüchen sichern oder erleichtern wollen.

Im liberalen Kalifornien etwa könnte bald ein Gesetz verabschiedet werden das Ärzt*innen, Helfer*innen und Abtreibende auch aus anderen Staaten explizit vor Strafverfolgung schützt. Das Gleiche gilt für den Pazifikküstenstaat Washington. In Oregon will das Parlament die Anzahl der Abtreibungskliniken erhöhen und hat 15 Millionen Dollar im Staatshaushalt bereitgestellt, um Kosten für Abtreibungen für die eigenen Bürgerinnen und die anderer Staaten zu übernehmen – man erwartet infolge restriktiver Gesetze eine höhere Nachfrage aus dem benachbarten Republikaner-Staat Idaho.


Warten auf den Supreme Court

Konservativ regierte Staaten wie Texas – wo seit September ein Abtreibungsverbot ab der 6. Woche besteht, also ein Quasi-Verbot – machen sich daran, die Vorlage aus Missouri zu übernehmen. So soll auch angesichts steigender Verbreitung von Abtreibungspillen eine Verfolgungslücke im Kampf gegen Abtreibungen geschlossen werden. Dieses Vorhaben könnte in den nächsten Monaten einen Schub bekommen, sollte der mehrheitlich konservative US-Supreme Court das Abtreibungsgesetz aus Texas nicht für verfassungswidrig und damit ungültig erklären.

Die Zeichen dafür stehen gut, weil die Richter am Obersten Gericht es ablehnen, das Gesetz bis zur Klärung dieser Frage auszusetzen. Rund die Hälfte der US-Staaten haben bereits sogenannte »trigger«-Gesetze verabschiedet, die automatisch Abtreibungsverbote verschiedener Art Gesetz werden lassen, sollte der Supreme Court in den nächsten Monaten das Grundsatzurteil Roe vs. Wade aussetzen. Das Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofes von 1973 stellte grundsätzlich ein Recht auf Abtreibung fest.

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