Preisschock und neue Störungen in der Lieferkette

Ukraine-Krieg und Sanktionen belasten die Weltwirtschaft - aber nicht überall gleich

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Russlands Überfall auf die Ukraine verschärft die Probleme in den weltweiten Lieferketten. »Inzwischen erreichen uns auf vielen Kanälen Rückmeldungen über eine starke Zunahme der Probleme«, so Volker Treier, Außenwirtschaftschef beim Deutsche Industrie- und Handelskammertag. In einer Blitzbefragung meldeten rund 60 Prozent der Unternehmen zusätzliche Störungen in Lieferkette und Logistik.

Hinzu kommen als Belastung für große Teile der Wirtschaft die hohen Energiepreise. Diese und die knirschenden Lieferketten werden die Firmen über kurz oder lang an ihre Kunden weitergeben, und so gewinnt der Inflationsschub an Breite. Selbst wenn man in die 1970er Jahre und die Ölkrisen zurückschaut, findet man keinen Jahreszuwachs bei den Produzentenpreisen, wie ihn das Statistische Bundesamt am Montag mit 25,9 Prozent meldete. Angesichts der unsicheren Lage geht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) davon aus, dass sich die bereits zu Jahresbeginn hohe Inflation um weitere 2,5 Prozentpunkte erhöhen könnte.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Russland und die Ukraine sind gemessen an der Wirtschaftsleistung relativ klein. Doch auf beide Länder zusammen entfällt rund ein Drittel der weltweiten Weizenexporte. Mögliche Störungen drohen laut OECD, den Hunger in der Welt zu verschlimmern. Außerdem sind die beiden Länder wichtige Produzenten von Düngemitteln und Industriemetallen wie Nickel und Palladium. Weiter anziehende Preise für Metalle könnten global in vielen Wirtschaftszweigen für Schwierigkeiten sorgen, wie etwa im Flugzeug- und Fahrzeugbau sowie in der Halbleiterproduktion.

Insbesondere Europa ist zudem erheblich von russischem Gas und Öl abhängig. Die Spotmarktpreise für Gas in Europa sind aktuell mehr als zehnmal so hoch wie vor einem Jahr, die Ölpreise haben sich fast verdoppelt. Allerdings schwanken die Preise je nach Frontverlauf täglich. Ein abruptes Ende der Energieimporte aus Russland könnte eine Wirtschaftskrise auslösen, warnt IMK-Forscher Sebastian Dullien. Andere Ökonomen, etwa von der Leopoldina, halten dagegen einen Lieferstopp für »handhabbar«.

Nach drei Wochen Krieg beeinträchtigt der bisherige Preisschock aber schon jetzt weltweit die Produktion von Waren und Dienstleistungen. »Nach zwei Jahren Coronakrise schien die Weltwirtschaft gerade wieder anzuziehen«, beklagt die Chefvolkswirtin der OECD, Laurence Boone. Die Auswirkungen des Krieges in Europa seien »in letzter Konsequenz nicht abzusehen«.

Die multilaterale Organisation erwartet, dass das Weltwirtschaftswachstum infolge des Konflikts in diesem Jahr um mehr als einen Prozentpunkt niedriger ausfallen wird. Der Chefvolkswirt der Allianz, Ludovic Subran, ist pessimistischer: Die Auswirkungen des Krieges dürften die von Covid-19 »weit übersteigen«.

Im Wirtschaftsausblick von Dezember hatte die OECD noch ein Wachstum des globalen Bruttoinlandsproduktes von 4,5 Prozent erwartet. Immer scheint global die Lage weniger dramatisch, als sie in Europa wahrgenommen wird. Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften im asiatisch-pazifischen Raum sowie auf dem amerikanischen Kontinent haben schwächere Handels- und Investitionsbeziehungen mit Russland und sind teils selbst wichtige Rohstoffproduzenten. Dennoch wird die Krise auch ihr Wachstum treffen - infolge einer geringeren weltweiten Nachfrage und der Auswirkungen höherer Preise auf die Einkommen und Ausgaben der privaten Haushalte.

Unter den aufstrebenden Volkswirtschaften und in den G77, einem Zusammenschluss von Entwicklungsländern, dürfte der Wachstumseinbruch dort besonders heftig ausfallen, wo viele Rohstoffe importiert werden. Angesichts dieses Angebotsschocks sollte laut OECD die Geldpolitik, also Zen-tralbanken und Internationaler Währungsfonds, Maßnahmen einleiten, die ein reibungsloses Funktionieren der Finanzmärkte gewährleisten. Die Börsen haben sich vom ersten Schock bereits erholt.

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Doch schon vor der aktuellen Krise hatten sich die Zeiten gewandelt. Für anderthalb Jahrzehnte nach dem Ende der realsozialistischen Staaten waren die USA die einzige Supermacht. Inzwischen sei diese »unipolare Weltordnung« zu Ende, schreibt Peter Wahl in einer Analyse für Attac. An ihre Stelle tritt ein multipolares System. In dessen Zentrum gärt die Rivalität zwischen den USA und China. Gleichzeitig sind die USA und (West-) Europa für China die wichtigsten Märkte. Während Russland wirtschaftlich nur eine Nebenrolle spielt. Auch Indien, dessen Bevölkerung bald zahlreicher als die des alternden Chinas sein wird, strebt einen Aufstieg zur globalen Macht an. Diese Megatrends dürften langfristig die Weltwirtschaft weit stärker prägen als Russlands Einfall in die Ukraine.

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