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Liebesentzug für Moskau
Von AfD bis Lega gibt es unter Europas Rechtsaußenparteien nur zögerlich Kritik an Russland
Heinz-Christian Strache ist seit 2019 kein FPÖ-Parteivorsitzender mehr. Sein politisches Erbe bringt Österreichs Rechtsaußenpartei jedoch bis heute in Erklärungsnot, auch jetzt mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Plötzlich ist wieder Thema, welch inniges Verhältnis die FPÖ über viele Jahre zum Kreml pflegte. Ein Ergebnis dieser Kontakte: Auf einer Moskau-Reise 2016 schloss der damalige Parteichef Strache einen Kooperationsvertrag mit der Regierungspartei »Einiges Russland«, der bis heute gilt. Die sogenannten Freiheitlichen beeilten sich daher dieser Tage zu betonen, dass die Vereinbarung »ein wertloses Stück Papier und totes Recht« sei, wie es FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz ausdrückte. Dann aber wird es kurios: Man habe lediglich versäumt, den Vertrag rechtzeitig aufzulösen, weil das Abkommen bei ausbleibender Kündigung nach fünf Jahren eine automatische Verlängerung vorsehe.
Selbst wenn man dies als Formalität abtut, zeigt allein die Existenz dieses Schriftstückes, wie sehr sich die FPÖ um die Nähe zur russischen Regierung bemühte. Vieles spielte sich nicht nur im Rahmen üblicher Diplomatie ab. Als 2018 Österreichs damalige parteilose, aber von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl Hochzeit feierte, lud sie Wladimir Putin in die Steiermark ein. Russlands Präsident kam, tanzte mit der Braut Walzer und hatte als Geschenk Ohrringe im Wert von 50.000 Euro im Gepäck. Den Schmuck durfte Kneissl nicht behalten, er ist Eigentum Österreichs. Festhalten tut die Ex-Politikerin aber an ihrem 2021 angetretenen Aufsichtsratsposten beim staatlichen russischen Ölkonzern Rosneft.
Auch die FPÖ-Spitze fährt ähnlich wie die AfD hierzulande oder die SVP in der Schweiz einen Schlingerkurs. Zwar erklärte FPÖ-Parteichef Herbert Kickl, »der Angriff von russischen Truppen ist in keiner Art und Weise zu rechtfertigen«, politische Konsequenzen will die Rechtsaußenpartei aber nicht ableiten. Stattdessen pocht Kickl auf die Neutralität Österreichs. Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt die Partei ebenso ab wie Sanktionen gegen Russland, »mit denen sich Österreich ins eigene Fleisch schneidet«.
Auch zur Aufnahme von Flüchtlingen übt sich die Partei in doppelten Standards. Österreich sei zur Hilfe für »vertriebene Frauen und Kinder« bereit, die Liste an vorgebrachten Abers ist allerdings lang. Geflüchtete sollten möglichst in den Nachbarländern der Ukraine versorgt werden und überhaupt verfüge Österreich aufgrund »verantwortungsloser Asyl-Versäumnisse« nur über geringe Aufnahmekapazitäten. Gemeint sind von der FPÖ damit Geflüchtete, die aus ihrer Sicht keine seien und folglich keinen Anspruch auf Asyl hätten. In einer Mitteilung von letzter Woche warnte die Partei dann auch unverhohlen weiter vor »massenweise jungen, männlichen Moslems«, die nach Österreich kämen.
Den Krieg verurteilen, aber keine oder nur wenige politische und wirtschaftliche Konsequenzen für den Aggressor Russland unterstützen – der FPÖ-Kurs steht stellvertretend für jene Haltung, die Europas Neue Rechte mehrheitlich mit Blick auf den Ukrainekrieg einnimmt. Etlichen politischen Schwergewichten dürfte es zudem an Glaubwürdigkeit mangeln, wenn sie nun Russland kritisieren. So stimmte der Lega-Vorsitzende Matteo Salvini als Koalitionspartner der italienischen Regierung von Mario Draghi nur äußerst widerwillig den Anfang März beschlossenen Waffenlieferungen an die Ukraine zu. »Nicht in meinem Namen«, erklärte Salvini und lenkte mit der Begrüdung ein, Italien müsse geeint auftreten.
Jener Salvini, der in seiner Position als Innenminister bis 2019 die Seenotrettung von Geflüchteten auf dem Mittelmeer hart bekämpfte, inszeniert sich nun als Freund von flüchtenden Ukrainer*innen. »Frauen, Mädchen, Müttern und Großmüttern zu helfen, ist eine Pflicht für jeden von uns«, schrieb der Lega-Vorsitzende auf Twitter. Salvini reiste Anfang März sogar selbst an die polnisch-ukrainische Grenze, um sich als vermeintlicher Helfer zu betätigen. In der Grenzstadt Przemyśl angekommen, erinnerte Bürgermeister Wojciech Bakun den Lega-Vorsitzenden an seine bisherige Freundschaft zu Putin. Auf einem in den sozialen Netzwerken verbreiteten Video ist zu sehen, wie Przemyśls Stadtoberhaupt Salvini ein T-Shirt mit dem Konterfei Putins unter die Nase hält. Das Gleiche hatte der Lega-Chef bei einem Besuch in Moskau 2014 getragen.
Nazis ziehen in den Krieg
Vertreter der extremen Rechten sind seit Jahren im Konflikt um die Ukraine involviert
Anders als Salvini ist Marine Le Pen zu keinen unmittelbaren realpolitischen Kompromiss in der Ukrainefrage genötigt. Doch ähnlich wie ihren italienischen Gesinnungsbruder bringt ihre jahrelange Nähe zu Putin auch Frankreichs bekannteste extreme Rechte in Erklärungsnot. Immerhin kandidiert Le Pen wieder einmal für das Präsidentenamt. Für Ärger sorgte ein Wahlkampfflyer der Kandidatin und Vorsitzenden der Rassemblement National. Darin ist Le Pen auf einem Foto gemeinsam mit Russlands Präsidenten Putin zu sehen. Entstanden war die Aufnahme während einer Moskau-Reise 2017 anlässlich der damaligen französischen Präsidentschaftswahl. Le Pen erklärte damals, die Krim-Annexion durch Russland drei Jahre zuvor sei in Ordnung gewesen, da die Halbinsel niemals zur Ukraine gehört habe.
Auch in der Gegenwart hält Le Pen nicht viel von dem angriffenen Land und seiner Regierung. Erst nach massiver öffentlicher Kritik erklärte die Politikerin, einer für Mittwoch im französischen Parlament geplanten Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beizuwohnen.
Innerhalb der extremen Rechten in Mittel- und Westeuropa distanziert sich die spanische Vox am deutlichsten vom russischen Angriffskrieg und dem Kreml. Parteichef Santiago Abascal stellte bereits vor drei Jahren infrage, was »Vox davon hat, sich Putin anzunähern«.
Auf Betreiben Abascals hatte sich Europas Rechte Ende Januar noch vor der Invasion Russlands in der Ukraine in Madrid zu einem Kongress getroffen. Am Ende der Versammlung stand eine interessante Erklärung, die eine beinahe vorhersehende Passage zum Ukrainekonflikt enthielt. Man verurteile »die Militäraktionen Russlands an der östlichen Grenze Europas, die uns an den Rand eines Krieges gebracht« habe, heißt es darin. Namentlich nicht erwähnt wurde Präsident Putin. Später hieß es, Le Pen habe zwar das Abschlussdokument unterstützt, nicht jedoch den Teil mit der Kritik an Russland. Rückblickend dürfte sie diese Entscheidung vermutlich bereuen.
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