Nazi-Devotionalien und ein konsternierter Richter

Im Terrorprozess gegen den rechten Bundeswehroffizier Franco A. wurde erstmals gezeigt, welche Beweisstücke zur neuerlichen Verhaftung des 33-Jährigen führten

  • Joachim F. Tornau, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Hakenkreuz-Orden, Hakenkreuz-Anstecker, eine Hakenkreuz-Armbinde; außerdem Reichsadler, eiserne Kreuze und ein Heftchen mit Fotos von Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann. All das wurde am Donnerstag im Prozess gegen den Bundeswehroffizier Franco A. am Oberlandesgericht Frankfurt am Main präsentiert. Sorgsam hat das Bundeskriminalamt abfotografiert, was A. bei sich trug, als er im Februar in einer S-Bahn-Station nahe seiner Offenbacher Wohnung von der Polizei kontrolliert und festgenommen wurde. Seitdem sitzt der terrorverdächtige Bundeswehroffizier, der Anschläge auf prominente Feindbilder der Rechten geplant und sich dafür eigens eine Tarnidentität als geflüchteter Syrer aufgebaut haben soll, wieder in Untersuchungshaft.

Als die Bilder beim Prozess über die Leinwände flimmern, hält sich der 33-Jährige, der sonst meist gar nicht aufhören mag zu reden und seine Unschuld zu beteuern, auffällig bedeckt. Das Hakenkreuz, sagt er irgendwann, sei das Zeichen einer »Partei, die unsägliches Leid über die Menschheit gebracht hat«. Ansonsten lässt er seinen Verteidiger Moritz Schmitt-Fricke sprechen. Der legt Wert auf die Feststellung, es sei auch ein »kommunistischer Orden« dabei.

Für diese Zurückhaltung hat Richter Christoph Koller wenig Verständnis. »Vielleicht«, gibt er zu bedenken, »ist Ihre Verteidigungsstrategie nicht so erfolgreich, wenn Sie am Ende des Prozesses in Haft sitzen.«

An jenem Freitagabend im Februar kam Franco A. aus Straßburg, er hatte einen Bundeswehr-Kameraden besucht, den man wohl einen Gesinnungsgenossen nennen darf. Als Alexander J. zu Jahresbeginn als Zeuge im Prozess auftrat, hatte er sich so dreist hinter Erinnerungslücken versteckt, dass ihm das Gericht schließlich sogar Beugehaft androhte. Unter anderem ging es um Gespräche, in denen die Freunde die »Zersetzung« Deutschlands durch die Amadeu-Antonio-Stiftung beklagt haben sollen. Die jetzt zurückgetretene Stiftungschefin Anetta Kahane war laut Anklage ein mögliches Anschlagsopfer von Franco A.

Das Gericht wüsste gerne, warum A. seine offenbar bei Alexander J. versteckten Nazi-Devotionalien ausgerechnet jetzt wieder abholte. »Da stellt sich jedem vernünftigen Menschen die Frage: Warum macht der Mann so was?«, sagt Koller. Das Gericht müsse davon ausgehen, dass der Angeklagte auch noch anderes irgendwo gebunkert habe. Vor allem: das Sturmgewehr und die beiden anderen Schusswaffen, die Franco A. illegal besaß und zu deren Verbleib er hartnäckig schweigt. »Hätten Sie die als Nächstes geholt, wenn wir den Haftbefehl nicht gemacht hätten?«, fragt der Richter. Eine Antwort bekommt er nicht.

Neben einer Aldi-Tüte mit 23 NS-Abzeichen waren bei der Festnahme sowie der späteren Durchsuchung der Wohnung von A. 21 Handys, 50 ungenutzte Prepaidkarten, sieben zum Teil angespitzte Macheten und ein gefälschter Impfausweis gefunden worden. Außerdem Laptops und Notizzettel. Erste Ergebnisse von deren Auswertung können an diesem 29. Verhandlungstag bereits in Augenschein genommen werden. Eine Liste mit französischen Telefonnummern ist dabei und eine Wegskizze zu einer Adresse in Paris. In der französischen Hauptstadt soll A. die Pistole gekauft haben, die er Anfang 2017 auf einer Toilette des Wiener Flughafens versteckte und deren Entdeckung durch eine Reinigungskraft ihn kurz danach auffliegen ließ.

Und es sind auch Selfies mit Bundestagsabgeordneten dabei, die er im September 2019 bei einem Tag der offenen Tür im Parlament machte. Damals war A. bereits wegen der »Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« angeklagt; die Bundesanwaltschaft glaubt, dass er unter anderem die Grünen-Politikerin Claudia Roth ins Visier genommen hat. Auch mit ihr posiert der Angeklagte auf einem Foto.

Die Verteidigung möchte indes, dass sich das Gericht mit ganz anderen Dingen beschäftigt: mit dem Musikgeschmack des Angeklagten nämlich. Anwalt Schmitt-Fricke will mit »Musikmemos« und dem Eintrag im Abibuch des Angeklagten beweisen, dass Franco A. kein NS-Liedgut mag. Sondern zum Beispiel Xavier Naidoo. Und sogar Punk! Richter Koller reagiert konsterniert. »Wer Punkmusik hört, macht keinen Anschlag auf Frau Kahane ... Ich weiß nicht, ob Sie das Gericht noch ernst nehmen.«

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