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- Zwangsräumungen in Berlin
Fast jeden Tag eine Wohnung
Bündnis Zwangsräumung verhindern stattet Landeseigenen Howoge und Stadt und Land kritischen Besuch ab
Mit großem Transparent und Megafon betreten knapp 20 Aktivist*innen den Eingangsbereich des Howoge-Kundenzentrums an der Frankfurter Allee in Lichtenberg. Die Mitarbeiter*innen schauen verdutzt, werden aber schnell über den Anlass der Aktion aufgeklärt: Das Bündnis Zwangsräumung verhindern Berlin will darauf aufmerksam machen, dass auch bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) fast täglich Mieter*innen geräumt werden. »Hohe Mieten, Zwangsumzug, davon haben wir genug!« rufen die Aktivist*innen durchs Megafon und überreichen einen Brief an Howoge, in dem sie ihr Anliegen, nämlich das Ende aller Zwangsräumungen, schildern.
Im vergangenen Jahr wurden 314 Räumungstitel durch städtische Wohnungsbaugesellschaften vollstreckt, das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Schriftliche Anfrage des Linke-Mietenexperten Niklas Schenker hervor. Die meisten Wohnungen wurden bei Howoge und bei Stadt und Land geräumt, weshalb die beiden Unternehmen im Fokus der Aktionen von Zwangsräumung verhindern stehen. »Der Mieter*innenschutz ist ein Teil der Aufgaben der landeseigenen Wohnungsunternehmen, und trotzdem kommt es immer noch zu Zwangsräumungen. Das muss sich ändern«, sagt Johannes Fischer von Zwangsräumung verhindern zu »nd«. Da die LWU der öffentlichen Hand unterständen, sei es unverständlich, warum gerade in deren Häusern Mieter*innen weiterhin geräumt würden.
Das Bündnis führt seine Aktionen im Rahmen der Aktionswochen zum Housing Action Day 2022 durch. »Wir sehen unseren Kampf gegen Zwangsräumungen in einem größeren Kontext. Das Recht auf Wohnen oder auf eine Wohnung darf nicht infrage gestellt werden«, sagt Fischer. Es sei durchaus zu bemerken, dass bei den LWU viele Zwangsräumungen durch Unterstützungsangebote abgewendet werden können, was eine positive Entwicklung sei. »Trotzdem gibt es zwischen den landeseigenen Unternehmen auch große Unterschiede«, sagt Fischer.
Tatsächlich geht aus der Schriftlichen Anfrage zu den Räumungszahlen im Jahr 2021 hervor, dass zum Beispiel das die Degewo nur zehn Räumungstitel im letzten Jahr vollstrecken ließ, bei einem ähnlich hohen Bestand von etwa 75 000 Wohnungen wie die Howoge, bei der 113 Räumungen vollstreckt wurden. Bei Stadt und Land mit einem etwas geringeren Wohnungsbestand wurden 95 Räumungen durchgeführt.
»Eine Räumung ist für uns das letzte Mittel«, teilt die stellvertretende Howoge-Pressesprecherin Annemarie Rosenfeld auf »nd«-Anfrage mit. Vor allem wenn es um Mietrückstände ginge, werde versucht, eine gemeinsame Lösung mit den Mieter*innen zu finden, zum Beispiel durch Unterstützung bei der Antragstellung zur Mietschuldenübernahme, Angebote für Ersatzwohnungen oder Vereinbarungen von Ratenzahlungen, sagt Rosenfeld.
»Sehr häufig müssen Räumungstitel vollstreckt werden, um vermietete Wohnungen, die von den Mietvertragspartnern ohne Angabe einer neuen Adresse oder Angabe von Gründen verlassen worden sind, der Wiedervermietung zuführen zu können«, so Anja Libramm, stellvertretende Sprecherin von Stadt und Land, zu »nd«. Rund 70 Prozent der Wohnungen seien zum Zeitpunkt der Räumung bereits unbewohnt, sagt sie.
Auch die Senatsstadtentwicklungsverwaltung weist daraufhin, dass die meisten Räumungen ohne Anwesenheit der Mieter*innen stattfinden. Trotzdem wurden im letzten Jahr 98 »physische Räumungen«, also Räumungen bewohnter Wohnungen, durch die LWU durchgeführt, sagt VerwaltungssprecherinAlexandra Hofer zu »nd«. Noch vor drei Jahren habe es über 300 Räumungen bewohnter Räume gegeben, seitdem seien die Zahlen kontinuierlich gesunken.
Die Senatsverwaltung arbeite vor allem durch die Kooperationsvereinbarung »Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnungsbaugesellschaften« mit den LWU daran, Mieter*innen vor dem Verlust ihrer Wohnung zu bewahren. »Den LWU wurde der Auftrag gegeben, durch Informationen, Beratung, Mediation und ähnliche Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass außerordentliche fristlose Kündigungen aufgrund von Mietrückständen so weit wie möglich vermieden werden«, so Hofer. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften verfügten zum 31. Dezember 2021 über zusammen 339 246 Wohnungen, sagt sie.
Den Aktivist*innen von Zwangsräumung verhindern reicht das Handeln des Senats aber erst aus, wenn gar keine Mieter*innen mehr aus ihren Wohnungen geräumt werden. »Es gibt Wohnungsbaugesellschaften, die deutlich weniger Räumungen durchführen als Howoge und Stadt und Land. Die zeigen, dass es besser laufen kann«, sagt David Schuster vom Bündnis nach dem Protestbesuch bei Howoge zu »nd«.
Die Aktion selbst beurteilt Schuster als Erfolg. »Wir begleiten sehr viele von Zwangsräumungen Betroffene direkt. In diesem Fall wollen wir aber auf das allgemeine Problem aufmerksam machen und den öffentlichen Druck gegen Zwangsräumungen erhöhen«, sagt der Aktivist, bevor er sich wieder aufs Rad schwingt, um seine Mitstreiter*innen beim direkt anschließenden Besuch bei Stadt und Land zu unterstützen.
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