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Lasst uns in Frieden (28): Mücke machen
Das ist Pazifismus: Bud Spencer schafft Frieden ohne Waffen
Mein Lieblingsbruder hatte Geburtstag, und ich schickte ihm einen Youtube-Clip aus unserem liebsten Bud-Spencer-Film, »Sie nannten ihn Mücke« (»Lo chiamavano Bulldozer«, 1978, Regie: Michele Lupo). In der Szene schlägt der italienische Seemann und Ex-Football-Profi Mücke den fiesen US-Sergeanten Kempfer (!), der von Raimund Harmstorf gespielt wird, beim Armdrücken, worauf der Sergeant sich als äußerst schlechter Verlierer zeigt, und dann prügeln sich die Einheimischen mit der amerikanischen Garnison. (Die antiamerikanische Spitze durfte uns Kindern entgehen.) Das zeigt der Clip nur im Ansatz, doch wir wissen natürlich Bescheid, und ich ob ich deshalb ein Tränchen verdrückt habe oder weil ich wiederum lachen musste, ist nicht zu sagen.
Als 2011 Bud Spencers bzw. Carlo Pedersolis Autobiografie erschienen war, fasste der Humorkritiker der »Titanic« den Reiz dieser Filme gültig zusammen: »Die besten verfügen über eine Dreistigkeit, der sich kleine Jungs jeden Alters und Geschlechts nicht entziehen können - und obendrein über das, was Pedersoli als elementaren Identifikationsmechanismus beschreibt: ›Ich war der Starke, der den arroganten Bösewichten Ohrfeigen verpasst und so die Schwachen rächt. An meiner Seite waren Kinder, die Alten und die Frauen sowie die Furchtsamen und Schüchternen sicher vor den Wichtigtuern, da in den Geschichten von Bud Spencer die Ohrfeigen genau dort landeten, wo Worte und Gebete nicht mehr weiterhalfen.‹«
Denn Worte und Gebete, Gandhi zum Trotz, helfen halt nicht immer, und eine weitere Wahrheit ist, dass dem Bürgerkind diese Art der Remedur viel näher ist als die der Revolutionsbrigade: »Bud-Spencer-Filme«, hieß es in »Titanic« weiter, »versprühen den heimeligen Charme der alten Sozialdemokratie: Wenn Herrschaftskarikaturen von dampfhammerstarken Proletariern die Fresse poliert bekommen, ist das fürs Publikum Bestätigung und Erleichterung im Arrangement mit den herrschenden Verhältnissen.« Die freilich alleweil herrschen (sonst wären’s keine herrschenden), und auch die Diktatur des Proletariats brachte ja allerlei Herrschaftskarikaturen hervor; und Putin an seinem langen Tisch ist ja mittlerweile auch eine.
Bei Bud Spencer aber fließt kein Blut, nie. Es gibt auch keine Schusswaffen, es gibt Ohrfeigen. Die Ohrfeige, Stichwort Sozialdemokratie, hat fürs Ganze keine Folgen, aber kurzfristigen (Pardon:) schlagenden Erfolg. Darin gleicht Bud Spencer James Bond: dass er unbesiegbar ist, in den legendären deutschen Synchronisationen übrigens auch mit der Klappe (»Wenn du mich noch mal duzt, hau ich dir ’ne Delle in die Gewürzgurke«).
Ikonisch die Versuche, ihm mit Mobiliar auf den Pelz zu rücken, das an seinem breiten Rücken in Stücke geht; und ikonisch auch das belästigte Kopfschütteln über derlei nicht mal frevelhafte, sondern bloß lächerliche Versuche, sich mit Waffengewalt durchzusetzen.
Denn wer Gottes verlängertem Arm mit der Waffe kommt, dem geht sie entzwei. Bud Spencer schafft Frieden ohne Waffen. Auch wenn er vor der Wehrdienstverweigerungs-Kommission in Schwierigkeiten geraten wäre: Er ist Pazifist. Er löst das pazifistische Dilemma, indem er Gewalt anwendet, ohne Gewalt anzuwenden. Er teilt aus, aber er vernichtet nicht. Seine Gewalt ist eine eingehegte, regelhafte, wie beim Boxen oder Judo, und hinterlässt vielleicht den Sperrholzbruch einer Kneipenkulisse, aber keine Leichen und Waisen, Trümmer oder Traumata. Nicht einmal ein Veilchen.
Eine Spencer’sche Ohrfeige für Putin, und gut wär’s. Müsste dem alten Judoka eigentlich einleuchten.
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