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Immer neue politische Turbulenzen
Spannungen in Pakistan – Premier Imran Khan gibt Ruder noch nicht aus der Hand
Krisen gab es rund um Militärputsche in Pakistan schon häufiger, selten war es in jüngster Zeit aber schlimmer als in der zugespitzten Lage der vergangenen Wochen, seit die vereinte Opposition am 8. März beim Parlamentschef ihren Antrag auf ein Misstrauensvotum gegen den Regierungschef und einstigen Kricketstar Imran Khan eingereicht hatte.
Fest hatten Beobachter damit gerechnet, dass es bei dem zuvor mehrfach verschobenen Votum am Sonntag nun zum großen Showdown käme, der Khan sein Amt kostet.
Dass Imran Khan seine bisherige parlamentarische Mehrheit verloren hat, war in den Tagen zuvor für alle immer offensichtlicher geworden. Nicht nur drei Koalitionspartner wandten sich von ihm ab, auch rund ein Dutzend Abgeordnete seiner eigenen Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) hatten schon verkündet, gegen ihn stimmen zu wollen. Offen ist, ob aus innerer Überzeugung oder gegen »dicke Bündel mit Rupien« bei einem Treffen mit der Opposition, wie er selbst und weitere PTI-Größen den Abtrünnigen vorwarfen.
Doch zur Abstimmung kam es gar nicht. Überraschend setzte Vize-Parlamentssprecher Qasim Schah Suri, der die Sitzung leitete, den Punkt als »verfassungswidrig« ab. Um die Wende komplett zu machen, reichte Imran Khan bei Präsident Arif Alvi den Antrag auf Parlamentsauflösung ein, dem dieser zustimmte.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Gemäß den Vorschriften stehen damit Neuwahlen binnen 90 Tagen an, in die Imran Khan zumindest erhobenen Hauptes ohne vorherige Entmachtung gehen kann. Die PTI verlor aber weiter an Rückhalt – so trat der bisherige Vize-Generalstaatsanwalt zurück. Am Montag hatte der Supreme Court mit der Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der Ereignisse begonnen; die schwierige Entscheidung wurde auf Dienstag vertagt.
Pakistan ist Atommacht, mit 220 Millionen Einwohnern die zweitgrößte muslimische Nation auf dem Erdball und neben dem Nachbarn und Erzfeind Indien ein weiteres Schwergewicht in Südasien.
Das Argument Imran Khans und seiner Führungsriege ist, dass der Misstrauensantrag eine »ausländische Konspiration« sei. Konkret wird den USA unter Verweis auf Äußerungen bei einem Diplomatentreffen vorgeworfen, aktiv einen Machtwechsel in Islamabad angestrebt und sich so in die inneren Angelegenheiten eingemischt zu haben. »Das ist die Antwort auf eine unabhängige Außenpolitik«, so Imran Khan, der das Land von einem früher verlässlichen US-Vasallen in dieser Weltregion zu mehr Distanz zu den Amerikanern, dafür vertieften Beziehungen zu China und Russland geführt hat. So weilte er gerade in Moskau, als Putins Überfall auf die Ukraine erfolgte, handelte neue Lieferungen von Erdgas und Weizen aus. Darauf angesprochen argumentierte er mit der außenpolitischen Souveränität.
Aufseiten seiner Gegner sind zwei Kräfte dominierend, die jahrzehntelang – so nicht das Militär herrschte – die Politik abwechselnd bestimmten, bis 2018 die PTI mit klarem Vorsprung siegte. Vielen in der Bevölkerung gilt dabei die Pakistanische Muslimliga – Nawaz (PML-N) als genauso feudalistisch-clandominiert und korrupt wie die Pakistanische Volkspartei (PPP). An deren Spitze stehen Ex-Präsident Asif Ali Zardari (früherer Beiname »Mister 10 Prozent«) und sein Sohn Bilawal Bhutto-Zardari. Die Strippen bei der PML-N zieht noch immer der in London lebende Ex-Premier Nawaz Sharif, der sein Amt im Zuge der Enthüllungen der »Panama Papers« verlor.
Zwischen den beiden Fraktionen im Inland, die loyal zu seiner Tochter Maryam und seinem jüngeren Bruder Shehbaz stehen, herrscht aber genauso Konkurrenz, wie sich PML-N und PPP an sich spinnefeind sind. Einig ist man sich nur gegen Imran Khan. Dieser hatte versucht, den korrupten Sumpf aufzubrechen, Steuerflucht und -vermeidung der Reichen zu begrenzen – mit eher mäßigem Erfolg. Mit einer teils progressiven Sozialpolitik bekamen aber zum Beispiel Millionen ärmere Frauen erstmals Zugang zu einem Bankkonto; ein großes Baumpflanzprogramm sicherte vielen ein Einkommen auch in der schweren Coronazeit.
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