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Queeres Begehren

Jeja nervt: Lesbische Mode und die Frage sexueller Identität

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Magazin »Harper’s Bazaar« erschien im März ein Artikel über das Einsickern lesbischer Mode in die Garderobe heterosexueller Frauen. Das, was früher als Nische lesbischer Frauen galt – Trekkingsandalen, Leder-Trenchcoats, Doc Martens oder weite, die Körperform wenig betonende Jeans –, sei inzwischen auch im Mainstream cool. Die »New York Post« griff die Thesen auf und spitzte sie in der Behauptung zu, »dress like a lesbian«, sich wie eine Lesbe zu kleiden, sei der neue Trend – »sexy« und »powerful«. Das war eine grobe Übertreibung.

Mit dem zugehörigen Tweet erntete das Blatt einen erheblichen Shitstorm. Über 16 500 Mal verbreiteten Nutzer*innen den Eintrag inklusive eigener Kommentare. Die fielen verheerend aus: »Enteignend« sei das. Andere empörten sich, dass die Anzug-Looks auf dem mitgelieferten Artikelbild gar nicht »wirklich« lesbisch aussähen. Die meisten erregten sich über etwas anderes. War nicht allein schon die Vorstellung, es existiere ein lesbischer Style, diskriminierend? Eine reichweitenstarke Feministin fragte ironisch: »Ist es gay, Hosen zu tragen?«

JEJA NERVT

Jeja Klein ist eine dieser Gender-Personen aus dem Internet und nörgelt einmal die Woche an Kultur und Politik herum. dasnd.de/jejanervt

Dass diese beiden Stoßrichtungen der Kritik überhaupt nicht miteinander zu vereinen sind, fiel den Empörten gar nicht auf. Der Shitstorm gegen die Annahme, dass es einen lesbischen Style gäbe, ist beispielhaft für einige bedenkenswerte Entwicklungen in der lesbischen und der weiteren queeren Community. Während auf der Videoplattform Tiktok eine Vielzahl an Videos zu finden ist, in denen Teenagerinnen mal mehr, mal weniger ironisch ihren unverwechselbaren Lesbenstyle vorführen, geben in anderen Generationen Antidiskriminierung und Anpassung an die Mehrheitsbevölkerung den Ton an. Was zunächst nicht unbedingt vereinbar scheint – Minderheitenschutz bei gleichzeitigem Aufgehen in die Mehrheit –, geht in queeren Kreisen eine problematische Verbindung ein. Der Kampf gegen Diskriminierung wird immer weniger als Zurückweisung des machtgeladenen Zugriffs der Mehrheit geführt. Stattdessen setzen immer weitere Kreise demonstrativ auf eine Performance von Vielfalt, die dem um Diskriminierung bemühten Mehrheitsblick vermeintlich die Grundlage entzieht.

Der Gedanke: Wenn sich die auszugrenzende Gruppe gar nicht mehr identifizieren lässt, wird sie auch nicht diskriminiert. Auf strategischer Ebene greift darum eine Kultur um sich, in der möglichst nichts Substanzielles über Gruppen ausgesagt wird. Diese Weigerung ist stets bemüht, selbst nicht diskriminierend zu sein (und dafür gemaßregelt zu werden!) und die prinzipielle Freiheit des Individuums zu betonen. Wenn jeder alles sein kann, lässt sich auch über niemanden nichts zu Protokoll geben.

Dieser radikalliberale Ansatz verunmöglicht die Bildung von Bündnissen, politischen Identitäten, solidarischen Gemeinschaften. Das lässt sich auch an lesbischen Communitys festmachen, in denen »straight passing« zum Gebot der Körperkultur wird. Auf Datingbörsen werden nichtfeminine Lesben als No-Go abgelehnt. Darum bemüht, mit Ausnahme des präferierten Geschlechts von Partner*innen wie jede andere Frau zu sein, geht die Lust an lesbischer Differenz verloren. Queere Kultur entledigt sich so trotz sexpositiven Bekenntnisses jenes Elements, das der angestrebten umfassenden Anerkennung durch die Mehrheit mit ihrem diskriminierenden Blick im Weg steht: des queeren Begehrens. Funktionierende Anerkennungsverhältnisse aber können nicht gelingen, wenn sich die schwächere Seite rarmacht.

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