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Zweite Amtszeit für Macron längst nicht sicher
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat der Rechten seit 2017 einen Stimmenzuwachs beschert
Im ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl am Sonntag haben sich erwartungsgemäß der amtierende Präsident Emmanuel Macron und seine rechtsextreme Herausforderin Marine Le Pen für die Stichwahl am 24. April qualifiziert. Für Macron wurden 27,6 Prozent der Stimmen abgegeben, während es vor fünf Jahren 24 Prozent waren. Le Pen erreichte 23,4 Prozent im Vergleich zu 21,3 Prozent im Jahr 2017. Auf den dritten Platz kam Jean-Luc Mélenchon von der linken Bewegung La France insoumise, der mit 22 Prozent der Stimmen (2017: 19,6 Prozent) knapp hinter Le Pen lag.
Die Wahlbeteiligung war mit 74,9 Prozent geringer als 2017 (77,8 Prozent). Doch der Negativrekord von 2002 wurde - anders als befürchtet - nicht gebrochen. Damals hatten in der ersten Runde nur 71,6 Prozent der eingeschriebenen Wähler abgestimmt und mit Jean-Marie Le Pen hatte sich überraschend erstmals ein Rechtsextremer für die Stichwahl qualifiziert.
Auffallend ist auch, dass diesmal drei Viertel aller Wähler gleich im ersten Wahlgang »nützlich« abstimmen wollten, indem sie sich auf die drei bestplatzierten Kandidaten konzentriert haben. Der ultrarechte Politikneuling Eric Zemmour blieb mit 7,1 Prozent unter den Erwartungen. Die restlichen acht Kandidaten erzielten weniger als die fünf Prozent, die das Wahlgesetz für die Erstattung der Wahlkampfkosten vorschreibt.
Dass Yannick Jadot, der Kandidat der Grünen, nur 4,6 Prozent der Stimmen erhielt, entspricht dem relativ geringen Stellenwert, der dem Umwelt- und Klimaproblem allgemein im Wahlkampf eingeräumt worden war. Für die beiden ehemaligen rechten und linken Regierungsparteien, die Republikaner und die Sozialisten, die eine noch größere Niederlage als 2017 hinnehmen mussten, stellt sich jetzt sogar die Frage, ob sie dieses Desaster überleben werden. Der rechten Kandidatin Valérie Pécresse haben nur 4,8 Prozent der Wähler ihre Stimme gegeben und der Sozialistin und Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sogar nur 1,7 Prozent. Fabien Roussel, der erste kommunistische Kandidat seit 15 Jahren, erzielte mit 2,3 Prozent der Stimmen einen Achtungserfolg im Vergleich zu den 1,9 Prozent, die 2007 für Marie-George Buffet abgegeben worden waren.
Für die Stichwahl am 24. April wird entscheidend sein, zu welchem der beiden Spitzenreiter die Wählerstimmen der zehn ausgeschiedenen Kandidaten wandern werden - oder wie viele dieser Wähler lieber zu Hause bleiben. Unmittelbar nach Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnisses am Sonntagabend hat die rechte Kandidatin Pécresse dazu aufgerufen, im zweiten Wahlgang Emmanuel Macron zu wählen. Sie stimme zwar in vielem nicht mit ihm überein, doch entscheidend sei für sie, der extremen Rechten den Weg zu versperren. Vergleichbar begründete Wahlempfehlungen zugunsten von Macron gaben auch die Sozialistin Anne Hidalgo, der Grüne Yannick Jadot und der Kommunist Fabien Roussel ab. Dagegen beschränkte sich Jean-Luc Mélenchon auf die Aussage, dass »keine Stimme an Marine Le Pen« gehen darf, ohne auf die Nachfrage von Journalisten einzugehen, ob das logischerweise bedeute, seine Wähler sollten für Macron stimmen.
Der Ultrarechte Erick Zemmour betonte zwar in seiner Erklärung die Differenzen zu Marine Le Pen, die ihm offensichtlich nicht nationalistisch-radikal genug ist, rief aber trotzdem seine Wähler auf, im zweiten Wahlgang für sie und damit gegen Macron zu stimmen. Da auch viele traditionelle Wähler der Republikaner im Gegensatz zum Aufruf der LR-Kandidatin Pécresse ihre Stimme im zweiten Wahlgang nicht Macron, sondern Le Pen geben wollen, hat die rechtsextreme Kandidatin für den zweiten Wahlgang Experten zufolge ein größeres Wählerreservoir zu Verfügung als Emmanuel Macron.
Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik im Umbruch
Für eine Neuausrichtung braucht der französische Präsident Emmanuel Macron eine zweite Amtszeit
Umfragen zufolge wollen viele traditionelle Linkswähler im zweiten Wahlgang nicht für den amtierenden Präsidenten stimmen, von dessen Politik sie enttäuscht wurden, auch auf die Gefahr hin, dass diese Verweigerungshaltung letztlich Marine Le Pen zugutekommt. Es dürfte also am 24. April sehr eng werden und eine Wiederwahl zum Präsidenten ist für Macron wahrscheinlich, aber durchaus nicht sicher.
»Noch ist nichts entschieden«, erklärte auch Emmanuel Macron selbst am Sonntagabend in einer Ansprache vor Wahlkampfhelfern und Anhängern in Paris. Er betonte, das Wahlergebnis stimme ihn »demütig«, denn es zeige, wie viel noch nicht erreicht sei. Tatsächlich hatte er 2017 beispielsweise angekündigt, er werde die Rechtsextreme »zu einem Nichts machen«. Doch in Wirklichkeit hat sie fünf Jahre darauf, wenn man die Stimmen von Le Pen und Zemmour sowie die 2,1 Prozent des radikal-nationalistischen Außenseiters Nicolas Dupont-Aignan zusammenzählt, ein Drittel aller französischen Wähler hinter sich.
»Zu ihrer Banalisierung hat der Präsident selbst viel beigetragen, denn seine Wirtschafts- und Sozialpolitik hat viele einfache Franzosen den Rechtsextremen in die Arme getrieben«, schätzt die Zeitung »Libération« ein. Die Analyse der Zeitung »Le Monde« lautet kurz und bündig: »Hinter Macron stehen vorwiegend Kader und Rentner, während es Le Pen geschafft hat, sich zur Sprecherin der Masse der enttäuschten Arbeiter und Angestellten aufzuschwingen.«
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