• Politik
  • Die indo-pakistanischen Beziehungen

Indien zeigt sich bedeckt

Nach dem Machtwechsel in Pakistan reagiert Delhi weiter abwartend

  • Ramon Schack
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie Delhi auf die politische Entwicklung in Islamabad blickt, basierend auf den angespanten Beziehungen zwischen den beiden südasiatischen Atommächten.

Der indische Regierungschef Narendra Modi gratulierte dem neuen pakistanischen Premierminister Shehbaz Sharif, der auf Imran Khan folgte, mit freundlichen Worten: »Indien wünscht Frieden und Stabilität in einer Region frei von Terror«, hieß es in einem Twitter-Post. Damit bezog Modi sich auf den andauernden Kaschmir-Konflikt.
Im August 2019 hatte Indien unter dem hindunationalistischen Premierminister Modi der indisch kontrollierten Kaschmir-Region den Autonomiestaus entzogen, wodurch sich die Spannungen im Verhältnis zu Pakistan massiv verschärften.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Wenige Wochen später forderte der damalige pakistanische Ministerpräsident Imran Khan die Vereinten Nationen bei seinem ersten Auftritt in der UN-Generaldebatte in New York zu einem Eingreifen im Kaschmir-Konflikt auf. Andernfalls sei ein weiterer Krieg zwischen den Atommächten Pakistan und Indien wahrscheinlich. »Wenn es schlecht läuft, hofft man auf das Beste – aber seid auf das Schlimmste vorbereitet.«

Khan forderte damals, dass der Autonomiestatus Kaschmirs – einer überwiegend muslimischen Region – wiederhergestellt werden muss. Der pakistanische Premier entwarf an diesem Tag am Hudson-River eine apokalyptische Vision: Bei einem Krieg zwischen Indien und Pakistan könne »alles passieren«, sagte er. »Was wir machen werden? Diese Frage stelle ich mir, und wir werden kämpfen. Wenn ein Land mit Nuklearwaffen bis zum Ende kämpft, hat das Konsequenzen, die weit über seine Grenzen hinausgehen.«
Seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1947 haben Indien und Pakistan drei Kriege miteinander geführt; zwei davon um die Vorherrschaft im Kaschmir, das seitdem geteilt ist – ein Teil wird von Indien, der andere von Pakistan verwaltet. Ein kleinerer Teil gehört zu China, der dritten Atommacht in der Region.

Noch einige Monate zuvor klang Khan wesentlich versöhnlicher, so dass Beobachter ein Tauwetter in den eingefrorenen Beziehungen zwischen Islamabad und Delhi erhofft hatten. Damals, im Februar 2019, hatte der Premierminister angekündigt, dass ein gefangen genommener indischer Militärpilot freigelassen werde. Trotz dieser Charme-Offensive verfolgte Imran Khan während seiner Amtszeit immer die geopolitische Doktrin des pakistanischen Militärs, wonach die Kaschmir-Frage als zentral angesehen wird, um Indien an den Verhandlungstisch zu zwingen – ein altbekanntes Muster, das aber nie zu erfolgreichen Gesprächsergebnissen geführt hatte.

Diesbezüglich unterschied sich Khan von der Politik seines 2017 abgesetzten Vorgängers Nawaz Sharif, der stets propagiert hatte, dass die bilateralen Beziehungen ohnehin gekittet werden müssen – und zwar völlig unabhängig von der Kaschmir-Frage. Es versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst, dass die Regierung in Delhi bezüglich der Absetzung von Imran Khan im Nachbarland keine Krokodilstränen vergießt.

Die Regierung Modi forciert die geopolitische Gewichtung als aufstrebende Supermacht, ohne dabei den Erzfeind Pakistan aus dem Blick zu verlieren. Der Machtwechsel in Islamabad wird von Delhi dahingehend geprüft werden, inwieweit dieser den eigenen außenpolitischen Ambitionen entgegensteht, diese gar gefährdet. Indien sieht Pakistan als extrem instabilen Staat – was auch weltweit von Experten geteilt wird –, der durchaus eine Gefahr für das eigene Land darstellen kann.

Nach Modis Amtsantritt 2014 sah es zunächst nach einer neuen Phase der Annäherung Indiens an Pakistan aus. Im Rahmen seiner »Neighbourhood First«-Politik lud Modi den damaligen pakistanischen Premierminister Nawaz Sharif zu seiner Amtseinführung ein und trat einen Besuch in Pakistan im Dezember 2015 an.

Im Verlauf des Jahres 2016 vollzog die indische Politik als Reaktion auf die anhaltenden Terroranschläge einen Kurswechsel. Im Januar 2016 kam es wenige Tage nach Modis Besuch in Pakistan zu einem schweren Anschlag im indischen Pathankot. Indien reagierte darauf mit militärischen Repressionen gegen terroristische Einrichtungen im pakistanischen Teil Kaschmirs. Seit dieser Zeit sind keine Anzeichen zu erkennen, dass die indische Regierung jenseits regulärer diplomatischer Beziehungen an einer neuen Initiative Interesse zeigt, die zu einer Annäherung an Pakistan führen könnte.

Aus dem Umfeld des indischen Regierungschefs wurde zu Zeiten Khans verlautbart, dass es keinen Dialog mit Pakistan geben werde, solange der Terror anhält. Bewegung in diese eingefrorene diplomatische Ausgangslage kam dann von außen. Die Seidenstraßen-Initiative der Volksrepublik China hat Bewegung in die indisch-pakistanischen Beziehungen und den Kaschmirkonflikt gebracht. Ob sich die Beziehungen zwischen Delhi und Islamabad zukünftig verbessern oder verschlechtern, hängt also auch in zunehmenden Maße von China ab.

Aktuell sind keine tiefgreifenden Veränderungen in den indo-pakistanischen Beziehungen zu erwarten, wenn nicht etwas Außergewöhnliches passiert. Die indische Regierung hofft auf eine gewisse innenpolitische Stabilität in Islamabad, sieht ihre außenpolitischen Prioritäten zur Stunde aber im Ausbau der Beziehungen zu Moskau.
Was die vom indischen Regierungschef geäußerten Wünsche zu Frieden und Stabilität angeht, gibt es angesichts des Machtwechsels in Islamabad noch trübere Aussichten.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -