Lasst uns in Frieden (38): Krieg dem Krieg

Über das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden und westliche Werte

  • Gerhard Hanloser
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Militärische ist wieder in. Selbst der als rechts verschriene Osteuropahistoriker Jörg Baberowski erklärte jüngst gegenüber der »Neuen Zürcher Zeitung«, ihn irritiere der aktuelle Bellizismus der Deutschen: »Gestern noch wurde der Klimawandel bekämpft und heute werden wieder die Helden vergangener Zeiten besungen. In Wahrheit produziert der Krieg keine Helden, nur Verlierer.« Wer davon nichts wisse, solle sich mit Ratschlägen zurückhalten. Diejenigen die 100-Milliarden-Pakete fürs Militär schnüren und Grundgesetzänderungen erwägen, wollen davon nichts wissen. Welche Auswirkungen die Logik des Militärischen auf Gesellschaften hat, könnten all jene wissen, die sich nach Dresden ins Militärhistorische Museum der Bundeswehr begeben.

Das ehemalige Armeemuseum der DDR präsentiert seit 2011 und nach langer Umbauphase nicht mehr nur die Geschichte der Nationalen Volksarmee und deren Bündnispartnern im Warschauer Pakt, sondern liefert nichts weniger als eine Kulturgeschichte der Gewalt. Im Angesicht von 10 000 Exponaten, die von mittelalterlichen Kanonen bis zu militaristischem Spielzeug von Zinnsoldaten bis Darth-Vader-Kostümen reichen, ist der Besucher fast erschlagen. Beispielsweise wenn man die Gebissprothese vor sich hat, die von Gefallenen der Schlacht von Waterloo stammen und die Leichenfledderer sich »ertragreich« angeeignet hatten. Dass in der Dauerausstellung auf 10 000 Quadratmetern unter dem Stichwort »Krieg dem Krieg« sich nur ein George-Grosz-Bild findet, ist enttäuschend. Ernst Friedrichs Buch »Krieg dem Kriege«, Käthe Kollwitz’ Bilder und Plastiken, Franz Pfemferts Zeitschrift »Die Aktion« - die Geschichte des deutschen Antimilitarismus nach dem Ersten Weltkrieg also - könnten prominenter und konzentrierter vertreten sein. So muss der Besucher sie suchen, wird dann aber auch fündig.

Einiges müsste im Geiste der neueren Museumspädagogik verändert werden: Dass zum Beispiel eine recht rassistisch geratene Kain-und-Abel-Statue aus dem 19. Jahrhundert in unmittelbarer Nähe zu dem unterrezipierten Völkermord an den Herero und Nama kommentarlos aufgepflanzt ist, bedarf der Korrektur. Auch der völkerrechtsbrüchige Bundeswehreinsatz 1999 - immerhin der erste deutsche Kriegseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg -, der sich als Luftkrieg gegen Belgrad gestaltete, wird kaum angemessen gezeigt. Allerdings ist das Kriegsverbrechen von Kunduz ein großes Thema am Ende der Ausstellung. Darüber hinaus durchweht die gesamte Ausstellung einen zivilen Geist. Es wird erklärt, dass in der Bundesrepublik seit 1966 auch Gewerkschaften Zugang zu Kasernen haben. Auch Soldaten haben Rechte, lächerlich darüber machen sich vornehmlich AfD-nahe Karikaturisten, die darin eine Unterhöhlung der Truppenmoral sehen wollen. Das Dresdner Museum dokumentiert das alles und ist in den Kommentaren im positiven Sinne bundesrepublikanisch. So werden geschickt und erhellend Personen der Zeitgeschichte in Kurzbiografien gegeneinandergeschnitten. Zeittafeln kontrastieren das Leben des kämpferisch-kritischen Militärhistorikers Manfred Messerschmidt aus Freiburg im Breisgau, der früh die Verbrechen der Wehrmacht erforschte, mit jenem des Nazi-Marinerichters und späteren Ministerpräsidenten Hans Filbinger.

Die Ausstellung ist auch aufklärerisch-skeptisch, nicht nur Daniel Libeskinds Architektur folgte der Linie der Dekonstruktion, sondern dekonstruiert werden auch die großen Erzählungen des Krieges: Heldentum, Kampf für die Nation, Männlichkeit und Ertüchtigung in Kaserne und auf dem Schlachtfeld. Im Moment steht gleich am Eingang zur Dauerausstellung eine historische Informationstafel zur Ukraine. »Die Ukraine. Land und Volk« heißt sie. Sie ist aus Berlin. Von 1918. Allerhand »Schätze« der Ukraine werden hier den bereits arg kriegsmüden Soldaten der Mittelmächte und vor allem Deutschlands unter die Nase gerieben. Sicher. Das ist von gestern. Propaganda funktioniert heutzutage nicht mehr roh-materialistisch, sondern moralisierend-idealistisch.

Den militarisierten »Zeitenwende«-Politiker*innen des großen deutschen Burgfriedens von 2022 möchte man einen Ausstellungsbesuch in Dresden dringend empfehlen. Der eine oder andere Grüne dürfte über die historisch gewordene Friedensbewegungsagitation seiner Partei stolpern. Sie sollten dann auch den auf rhetorischen Dauerbeschuss eingestellten ukrainischen Botschafter mitnehmen. Wer den Westen will, sollte zur Kenntnis nehmen, dass »No more heroes« und Militärverachtung auch zum westlichen Kulturgut gehören. Gerhard Hanloser

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