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Auf dem Weg zur Kriegspartei

In der Bundesregierung drängen vor allem die Grünen auf die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Manch einer reibt sich verwundert die Augen. Ausgerechnet die Grünen, die kürzlich noch in ihr Programm für die Bundestagswahl geschrieben haben, dass Rüstungsexporte in Kriegsgebiete beendet werden sollten, rufen in der Bundesregierung am lautesten nach schweren Waffen für die Ukraine. Dieses Verhalten lässt sich nicht nur dadurch erklären, dass sich die weltpolitische Lage nach dem russischen Angriff auf das Nachbarland verändert hat und somit viele Papiere, die vor Monaten geschrieben wurden, hinfällig geworden sind. Zu beachten ist auch, dass zahlreiche Passagen in Wahlprogrammen für das Schaufenster gedacht sind und dazu dienen, die Wähler zu umgarnen. Zudem gehen in den Köpfen der Spitzenpolitiker, die letztlich die wichtigsten Entscheidungen treffen, zuweilen ganz andere Dinge vor sich.

So hatte der damalige Grünen-Chef Robert Habeck nach einem Besuch in der Ukraine im Mai 2021 für Waffenlieferungen plädiert, um die ukrainischen Truppen bei den militärischen Auseinandersetzungen im Donbass mit den prorussischen Separatisten zu unterstützen. Habeck, inzwischen Wirtschaftsminister, war für seinen Vorstoß auch parteiintern kritisiert worden. Denn noch sollten sich Politiker der Grünen so äußern, dass es auch zu ihrem Programm passte.

Aus Habecks Forderungen lässt sich ableiten, dass er bereits damals die Haltung der ukrainischen Regierung unterstützte, den Konflikt im Osten des Landes militärisch zu lösen, anstatt sich für Entspannung und die Umsetzung des Minsker Abkommens einzusetzen. Zwar liegt die Schuld an der jetzigen Eskalation bei Russland, das in der Ukraine einen Eroberungskrieg führt. Dieser Krieg hat allerdings eine Vorgeschichte, in der auch westliche Politiker wie Habeck unrühmliche Rollen gespielt haben.

Fraglich ist nun, welche Waffen an die Ukraine überhaupt geliefert werden könnten. Bis Ende März wurden seit Kriegsbeginn Waffen und anderes militärisches Material im Umfang von mehr als 80 Millionen Euro geliefert, darunter leichte Panzer- und Flugabwehrwaffen. Habeck hat nun erklärt, dass man bei Quantität und Qualität zulegen müsse. Allerdings gibt es für den Grünen-Politiker einen Rahmen. Er »schließt große Panzer oder Kampfflugzeuge bisher nicht ein«, sagte Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe. So zeichnet sich auch ein möglicher Kompromiss in der Koalition mit SPD und FDP ab. Zwar wird weiter Kriegsgerät geliefert, aber bei Flugzeugen und Panzern wartet die Bundesregierung noch ab.

SPD-Linke bremst in der Koalition

Während neben den Grünen auch einige Sozialdemokraten und Politiker der FDP bei Waffenlieferungen in die Offensive gehen, bremsen Vertreter des linken SPD-Flügels. »Einfache Antworten, auch bei der Lieferung von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine, gibt es nicht«, erklärte kürzlich der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. In den Reihen der Sozialdemokraten wird die Befürchtung geäußert, dass die Nato und Deutschland nach der Lieferung schwerer Waffen von Russland als Kriegspartei angesehen werden könnten und der Konflikt dann auf die Nato übergreift. Deswegen ist Kanzler Olaf Scholz (SPD) zurückhaltend. Auch Habeck kann das Argument nachvollziehen. »Wir haben eine Verantwortung dafür, nicht selbst zum Angriffsziel zu werden«, sagte er.

Die deutsche Waffenexportstrategie wird wohl vom weiteren Kriegsgeschehen abhängen. Russland konzentriert sich derzeit auf den Osten und den Süden des Landes. Es ist davon auszugehen, dass Präsident Wladimir Putin am 9. Mai zum Tag des Sieges über den Faschismus unbedingt einen militärischen Erfolg verkünden will. Zumal er behauptet, dass die Ukraine »entnazifiziert und entmilitarisiert« werden müsse. Das weist alles darauf hin, dass das russische Militär in den kommenden Tagen und Wochen mit aller Macht versuchen wird, weitere Gebiete zu erobern. In dieser Zeit wird es keine ernsthaften Verhandlungen geben, die Zahl ziviler Opfer dürfte deutlich steigen.

Vor diesem Hintergrund wird der Druck auf die Bundesrepublik zunehmen, die ukrainischen Streitkräfte stärker zu unterstützen. Hiesige Rüstungskonzerne reiben sich schon die Hände. Rheinmetall hatte zu Beginn der Woche die Lieferung von 50 gebrauchten Kampfpanzern vom Typ Leopard 1 angeboten, wenn die Bundesregierung zustimmen sollte. Die Ukrainer haben auch auf andere Panzer aus deutschen Rüstungsschmieden ein Auge geworfen. Sie würden gerne Schützenpanzer vom Typ Marder erwerben.

Für Rüstungsexporte ist das Wirtschaftsministerium zuständig, das Habeck leitet. Angesichts der derzeitigen deutschen Exportpolitik wirkt es absurd, dass das Ministerium an einem Rüstungsexportkontrollgesetz arbeitet, das klare Regeln definieren und Ausfuhren beschränken soll. Dieses Vorhaben dürfte in einer Farce enden. Staatssekretär Sven Giegold und weitere Mitarbeiter des Ministeriums haben sich Anfang April mit Vertretern von Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Kirchen zum Austausch über das von der Bundesregierung geplante Gesetz getroffen. Die Profiteure der Kriege dürfen ebenfalls mitreden. »Gleichermaßen Wert lege ich auf den kommenden Austausch mit den Unternehmen der Rüstungsindustrie«, teilte Giegold mit.

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