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Albas Frauen steigen auf die große Bühne auf

Alba Berlin ist der erste große Basketballverein, der ab sofort mit Männern und Frauen in der 1. Bundesliga spielt. Dafür hat der Verein einiges getan

Der letzte Punkt ist Hilke Feldrappe vorbehalten. Danach brechen alle Dämme. Ihre Mitspielerinnen stürmen das Spielfeld, umarmen sich, tanzen im Kreis und schlagen dann mit den Händen aufs Parkett, das sie künftig noch viel häufiger betreten wollen. Die Männer von Alba Berlin haben schon zehn Meisterschaften errungen. Von jetzt an dürfen auch die Frauen des Klubs davon träumen. Mit 99:71 bezwingen sie die Rhein-Main-Baskets aus Langen auch im Rückspiel der Aufstiegsrunde und qualifizieren sich erstmals in der Vereinsgeschichte für die 1. Bundesliga. Sie erreichen damit ein Ziel, das sie vor wenigen Monaten noch nicht einmal laut ausgesprochen haben.

Schon nach drei Vierteln des zuvor nicht so einseitig erwarteten Duells spenden die 2200 Zuschauer stehenden Applaus. Einer von denen, die an diesem Karfreitag schon am Nachmittag den Weg in die Arena am Ostbahnhof gefunden haben, ist Louis Olinde. Der Nationalspieler spielt hier jede Woche mit Albas Männerteam. Er wird am selben Abend in der Bundesliga noch auf dieselben Körbe werfen. Diesmal aber ist er früher in der Halle als sonst: »Ich kenne unsere Frauen. Man sieht sich ja oft in der Trainingshalle. Ich war auch beim ersten Playoff-Spiel dabei, als unser Spielplan das endlich mal zugelassen hat«, sagt er. Olinde ist nicht der einzige Spieler vom Männerteam auf den Rängen, auch ihr Coach Israel Gonzalez sitzt im Publikum. Alba sei eine große Familie, heißt es immer wieder. Hier scheint es zu stimmen. »Ich finde es cool, dass auch das Frauenteam jetzt professioneller wird«, sagt Olinde, bevor er zum Aufwärmen in die Kabine verschwindet.

Derweil drehen seine Kolleginnen eine Ehrenrunde und klatschen mit den Fans ab. Dass sie überhaupt diese Bühne geboten bekommen, ist schon ein enormer Fortschritt. Normalerweise spielen sie in einer besseren Trainingshalle vor maximal 300 Leuten, viele davon Verwandte und Freunde. Heute ist das anders »Und das ist nicht nur für uns besonders«, sagt Co-Kapitänin Henriette Höfermann, »sondern auch für all die kleinen Mädchen im Verein. Sie sehen: So etwas ist auch für sie möglich, nicht nur für die Jungs.«

Die Gelegenheit zum Doppelspieltag mit den Männern bot sich erst zum zweiten Mal seit 2019. Und dieses Mal spielen die Frauen auch noch um ein großes Ziel des Vereins: den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Der war eigentlich als langfristiges Vorhaben anvisiert worden, doch viele junge Spielerinnen haben sich in dieser Saison schneller weiterentwickelt als erwartet. Dazu kam der Vorteil, dass Alba einen ausgeglichenen und großen Kader von 16 Spielerinnen zur Verfügung hat. Neun von ihnen sind noch nicht mal 20 Jahre alt.

Andere Teams reisten dagegen oft nur mit acht Basketballerinnen an, und Berlin drehte viele Partien in den letzten Minuten, wenn die Gegnerinnen die Kräfte verließen, so auch diesmal, als Berlin die zweite Hälfte dominiert. »Wir haben den Erfolg nicht so schnell erwartet, weil das kein Kader ist, der unbedingt aufsteigen musste. Aber wir wussten schon, dass diese Spielerinnen irgendwann das Potenzial dazu haben würden«, sagt Trainer Cristo Cabrera. Im Viertelfinale der Aufstiegsrunde hatte sein Team Bamberg ausgeschaltet, eine Runde später kam es zum Duell mit den Frauen aus Langen. Da zwei Teams aufsteigen, reicht der Finaleinzug fürs Ticket in die 1. Liga.

Alba ist der erste große und erfolgreiche Männerklub, der nun auch mit seinen Frauen im Oberhaus spielt. Es ist eine Entwicklung, die an vielen Orten im deutschen Basketball Einzug halten soll. Berlin ist der Vorreiter und steckt seit ein paar Jahren mehr Arbeit in die weibliche Abteilung: So ist immer ein Physiotherapeut beim Training dabei. Die Auswärtsfahrten sind komfortabler geworden, und die Trainer von Männern und Frauen tauschen sich aus. Im ganzen Klub gibt es eine Spielphilosophie des schnellen Basketballs. »Das ist zur Klubkultur geworden. Daran erkennt man Albas Identität, egal welches Alter oder Geschlecht«, sagt Cabrera.

Als i-Tüpfelchen der Entwicklung ging es nun wieder in die Arena am Ostbahnhof, um die Frauen einem größeren Publikum zu präsentieren. »Das zeigt uns, dass die Wertschätzung enorm gestiegen ist. Natürlich wollen wir häufiger in größeren Hallen spielen. Denn man merkt, dass unsere kleine Nebenhalle nicht mehr ausreicht«, sagt Höfermann.

Auch wenn Alba in den kleinen Dingen mehr Gleichberechtigung schafft, bleibt doch ein großer Unterschied bestehen: das Geld. Während der Etat des Männerteams mittlerweile achtstellig sein dürfte, gibt es unter den Kolleginnen gerade mal zwei Profis. Und auch die sind keine große Namen, die üppig bezahlt werden müssten. Alba geht stattdessen konsequent einen Weg, der auch im männlichen Bereich zuletzt zu großen Erfolgen geführt hat. Der Klub setz auf das eigene Jugendprogramm: Trainer geben Kurse in Schulen, suchen dort nach Talenten wie Hilke Feldrappe, die erst vor drei Tagen 18 Jahre alt wurde, und integrieren sie dann in die vielen Jungen- und Mädchenmannschaften des Vereins. Ein paar schaffen es später ins erste Team von Alba - oder sogar darüber hinaus, wie die Wagner-Brüder Moritz und Franz, die mittlerweile in den USA in der NBA Millionen verdienen.

Diese Perspektive bietet sich den jungen Frauen auf dem Parkett noch lange nicht. Einige gehen zur Schule, andere studieren oder arbeiten. »Der Mix aus Amateurinnen und Profis ist im deutschen Frauen-Basketball notwendig, weil noch nicht so viel Geld dahintersteckt«, meint Höfermann, die beispielsweise zuletzt ihren Bachelor in Maschinenbau gemacht hat.

Die Kanadierin Hannah Brown ist einer der wenigen Profis im Team. Sie hat bereits in der 1. Liga gespielt, wechselte aber nach Berlin, weil ihr das Entwicklungsprogramm Albas zusagte. Nach dem Aufstieg ist sie nun umso mehr überzeugt von Albas Weg. »Es gibt hier so viele talentierte Sportlerinnen. Dass wir heute auf diese Bühne durften, ist auch Ausdruck für unsere Entwicklung«, sagt Brown. »Und viele meiner jüngeren Kolleginnen haben das Potenzial, um erfolgreiche Karrieren zu starten. Und selbst wenn wir uns vielleicht noch verstärken müssen, um in der 1. Liga zu bestehen, bin ich überzeugt, dass wir das mit diesem Kern schaffen werden.«

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