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Ersatz für Spiegel
Lisa Paus tritt die Nachfolge von Anne Spiegel im Familienministerium an
Der Rücktritt der Familien- und Frauenministerin Anne Spiegel (Grüne) Anfang der Woche hat heftige Debatten über die Arbeitskultur in politischen Ämtern und die Vereinbarkeit von Familie und Karriere ausgelöst.
Obwohl der Anlass der Rücktrittsforderungen das Verhalten von Spiegel während und nach der Flutkatastrophe im vergangenen Juli war, ging es kaum bis gar nicht um Katastrophenprävention - Spiegel war Ministerin für Umwelt und Klimaschutz in Rheinland-Pfalz und damit verantwortlich für die Hochwasservorsorge und die Voraussage der Pegelstände. Der Untersuchungsausschuss in Mainz hat noch zu keiner abschließenden Beurteilung des Verhaltens der verantwortlichen Politiker*innen gefunden.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Spiegel hatte am Sonntag versucht, dem Druck und den Rücktrittsforderungen zu begegnen, indem sie Details aus ihrem Privatleben preisgab. Die Familie sei enorm belastet gewesen, führte sie zur Begründung der Entscheidung an, nur zehn Tage nach der Flut einen vierwöchigen Urlaub mit der Familie zu verbringen. Das kann man verständlich finden, vier kleine Kinder und ein kranker Partner in einer Pandemie ist sicher eine anstrengende Konstellation für alle. Zwei Ministerämter - neben dem Familienministerium geschäftsführend das Umweltministerium - die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz und danach die Verantwortung für die Koalitionsverhandlungen war aber auch zu viel. Feministinnen und Parteikolleg*innen haben die ehemalige Familienministerin verteidigt, weil jeder Fehler machen dürfe und man nicht physisch vor Ort sein müsse, um Dinge gut zu managen. Auch die unsägliche Pressekonferenz, bei der Spiegel sichtbar um Fassung rang und von deren Live-Übertragung sie offenbar nichts wusste, wurde als authentisch, ehrlich und erfrischend emotional gelobt. Andere Minister*innen hätten noch mehr Mist gebaut und seien nicht zurückgetreten, wurde kritisiert.
Allerdings ist eine Ämteranhäufung eher karrieristisch als feministisch. Ein Ministeramt ist normalerweise schon mehr als ein Vollzeitjob, zwei davon mit einer überdurchschnittlichen Belastung in der Familie mitten in einer globalen Krise ist nichts, was man mit gutem Gewissen übernehmen sollte, wenn man den verschiedenen Anforderungen halbwegs gerecht werden will. Das kann nur kurzfristig gut gehen - zu sehr ist alles auf Kante genäht. Wenn dann noch eine Katastrophe dazu kommt, bricht das System zusammen.
Überforderung und Dauerstress tragen dazu bei, dass man keine guten, durchdachten Entscheidungen mehr treffen kann - das aber selbst nicht mehr merkt. Das ist Anne Spiegel offenbar passiert. Dafür nur dem Patriarchat und dem unbarmherzigen Politikbetrieb die Schuld zu geben, deren Opfer Spiegel geworden sei, greift zu kurz. Feminismus heißt nicht, alles gleichzeitig haben zu können.
Nun soll die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Elizabeth Paus, neue Familienministerin werden. Paus bezeichnet sich selbst als Feministin und hat angekündigt, den Kampf gegen Gewalt zur Priorität zu machen. Sie hat einen kleinen Sohn, den sie alleine erzieht. Die Vereinbarkeitsdebatten dürften also weiter gehen - man muss ihr ein gutes soziales Netzwerk und wenig Katastrophen wünschen.
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