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Robocop auf Baupatrouille
Roboterhunde mit intelligenter Sensorik sollen Gebäude und Brücken überwachen und schützen
Kein Schwanzwedeln und kein Gebell, das uns im Labor der Technischen Universität Hamburg-Harburg begrüßt, sondern ein dumpfes, mechanisches Geräusch. Ein schwarzer Roboterhund vollgestopft mit Sensoren. »Bei der Baurobotik muss man im Groben zwei Richtungen unterscheiden: Das eine ist der Roboter auf der Baustelle, der Aufgaben übernimmt, der mauert, verputzt, vielleicht auch mit Beton druckt. Das sind Fertigungsroboter. Das andere sind Robotersysteme, die angewendet werden, wenn das Bauwerk schon steht«, erklärt Projektleiter Kay Smarsly, Professor am Institut für »Digitales und Autonomes Bauen«.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Der digitale Laufroboter könnte eines Tages den Bau von Hochhäusern, Brücken oder Talsperren kontrollieren und bei Auffälligkeiten selbstständig Alarm schlagen. Nicht als Wachhund, sondern als vierbeiniger Prüfer auf Baumängel, Veränderungen oder Materialermüdung. Wenn Betonwände feucht werden, sich kleine Risse zeigen oder der Untergrund sich setzt, schlägt er an: »Wir entwickeln dafür Roboter, die das Gebäude mit Laserscannern, mit Fotos, mit anderen Sensoren aufnehmen. Man nennt das Bauwerksmonitoring. Wir wollen wissen, wie der Zustand eines Bauwerks ist.«
Von seiner Gestalt und seinen Proportionen erinnert der Roboterhund-Prototyp tatsächlich an den besten Freund des Menschen: Der I-Dog ist so groß wie ein Pudel, hat zwei Vorder- und zwei Hinterbeine - nur dass dort, wo sonst die Augen sitzen, Sensoren eingebaut sind. Diese erfassen mit Laserscannern die Umgebung. »Die Idee ist, dass der I-Dog tatsächlich Gassi geht, um die Umgebung kennenzulernen. Das ist nach wie vor noch ein Forschungsgegenstand, dass die Roboterhunde sich verorten können. Das ist ein bisschen so, wie wenn sie jetzt noch nie in einem Gebäude waren und sich nicht genau auskennen.«
Smarsly und seinem Team geht es nicht darum, den besten oder effizientesten Roboterhund zu bauen, da gibt es bereits Produkte in Serie: als interaktives Spielzeug oder bis vor Kurzem noch von der New Yorker Polizei zur Erkundung bei gefährlichen Situationen eingesetzt. Der Fokus seines Teams liegt vielmehr auf den eingebauten Sensoren. Sie sollen Messdaten von auffälligen Veränderungen melden, die auf Schwachstellen in Gebäuden hinweisen. Das erleichtere nicht nur die Bauarbeiten, sondern mache die Gebäude sicherer, so Smarsly und verweist auf kommende Tests an der Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen, der zweitlängsten Straßenbrücke Deutschlands. »Da können Inspekteure nicht Quadratzentimeter für Quadratzentimeter genau gucken, wo irgendwo ein Betonriss ist. Aber wir können das automatisiert mit KI-Algorithmen und unseren Roboterhunden machen. Das Ganze ist relativ kostengünstig. Wenn man das jetzt noch koppelt mit Sensoren, die im Gebäude verbaut sind, dann wird es noch genauer.«
Was Smarsly damit meint: Heute schon können Sensoren direkt in Wände mit verbaut werden, um etwa Feuchtigkeit, Vibrationen oder Spannungen zu messen. Das Problem: Wie bekommt man die Daten aus der Wand heraus? Würden Antennen aus den Wänden herausschauen, ist der Beton nicht mehr dicht und Korrosionsschäden beim Bewehrungsstahl wären wahrscheinlich. Die Lösung: Roboterhunde laufen autonom durch das Haus, gehen an den Wänden vorbei und erfassen die Messdaten der fest verbauten Sensoren: »Unser Ziel ist es, das Konzept des digitalen Zwillings umzusetzen, das heißt, dass wir über die Sensoren die Daten in ein digitales Modell reinkriegen. Und dieses digitale Modell ist dann ein Zwilling vom tatsächlichen Bauwerk.«
Während tagsüber das echte Gebäude entsteht, erfasst der Roboterhund nachts bei seinen Prüfgängen mittels Sensoren die Messdaten des Bauwerkes und leitet sie weiter. Dabei entsteht ein digitales Abbild des Bauwerks und seines Baufortschritts in Echtzeit, das für Ingenieure und Baufirma verfügbar ist. Sobald bei den Kontrollgängen Auffälligkeiten im Beton gemessen werden, zum Beispiel Absenkungen, Feuchtigkeit oder Risse, schlägt der Robo-Wauwau an und benachrichtigt digital die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das erleichtere nicht nur die Bauarbeiten, sondern mache die Gebäude sicherer, betont der Wissenschaftler und weist dabei auf ein weiteres Anwendungsfeld hin.
Laut Statistischem Bundesamt gelten gut zehn Prozent aller Brücken an Bundesfernstraßen als dringend sanierungsbedürftig. Ganz ähnlich sieht es bei den rund 26 000 Bahnbrücken aus, deren Durchschnittsalter bei fast 74 Jahren liegt. Fast die Hälfte aller Brücken ist älter als 100 Jahre. Und Brücken sind heute viel stärker belastet, als in den 1970er Jahren erwartet. Seit 1980 hat sich der Gütertransport auf der Straße verfünffacht. Lkw sind teils doppelt so schwer wie vor 50 Jahren. Ein Milliardenaufwand wird nötig sein, um die Bauwerke zu erneuern oder zu reparieren. Solche Ingenieurbauwerke müssen hierzulande alle sechs Jahre umfangreich überprüft werden; der Inspekteur klopft oder tastet das Bauwerk zentimeterweise ab. Alle drei Jahre gibt es eine einfache Prüfung.
Insbesondere Bauingenieure sind gefragt, um die statischen und konstruktiven Verhältnisse am Bauwerk zu beurteilen. Und Bauingenieure sind rar. Seit Jahren liegt die Zahl der offenen Stellen deutlich über der Zahl der Arbeitslosen: 2022 stehen einem arbeitslosen Bauingenieur drei offene Stellen gegenüber. Wie kann man diesem Sanierungsstau in der Infrastruktur beikommen, wie kann man kostengünstig und effizient diesen Schäden überhaupt auf die Spur kommen - trotz Fachkräftemangel und steigenden Kosten? Da kommen unsere Roboterhunde ins Spiel, so Wissenschaftler Kay Smarsly. »Da ist es wichtig, dass man mit innovativen Methoden an die Bauwerke geht und frühzeitig die Schädigungen erkennt. Wenn der Riss noch klein ist, kann man frühzeitig mit wenig Geld was machen. Wenn man das aber gar nicht erfasst, ist es irgendwann zu spät.«
Bauwesen und IT-Wissen müssen zusammenfinden, sagt Smarsly. Wenn alle am Bau beteiligten Unternehmen von Anfang an alle Daten zum Gebäude einbringen und eingebaute Sensoren laufend weitere Daten liefern - etwa zu Erschütterungen, Korrosion oder zur Feuchtigkeit -, dann ließe sich das Leben eines Gebäudes vollständig dokumentieren - von der Planung bis zur Entstehung und Nutzung. Dann werde der gesamte Bauprozess transparenter und es könne weniger »gepfuscht« werden.
Hätte man so den Einsturz der Morandi-Brücke in Genua verhindern können oder die Sperrung der wichtigen Autobahnbrücke Rahmede bei Lüdenscheid, die jetzt in der Region für ein riesiges Verkehrschaos sorgt? »Ein klares Jein! Man hätte sicherlich Genua verhindern können, wenn man Sensoren verbaut und frühzeitig gesehen hätte, wo etwas sich anbahnt. Oder die Flutkatastrophe im Ahrtal: Auch da hätte man vorher über Sensorsysteme nachdenken können. Das wären Beträge von wenigen Euro gewesen. Vielleicht hätte man einiges verhindern können.«
Derzeit patrouillieren die I-Dogs nur im Hamburger Labor - bis zur Einsatzreife ist es noch ein langer Weg. Was derzeit die größten Probleme sind? Dass die I-Dogs sich eigenständig in Bauwerken zurechtfinden, erklärt der TU-Professor Smarsly. So hat der Roboterhund Probleme, sich bei wiederholenden Strukturen von Systembauten zu orientieren und sich selbstständig aufzustellen, wenn er gestolpert ist. Vom Prototypen bis zum marktfähigen Produkt sei noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit notwendig - aber die Vision sei klar: »Es gibt Drohnen, die autonom fliegen und Bauwerke erfassen. Es gibt Unterwasserfahrzeuge, die Fundamente von Brücken unter Wasser erfassen. Es gibt unsere Laufroboter. Unsere Vision ist, dass man das Ganze koppelt, dass man nachher Roboterflotten hat, die miteinander kommunizieren und ein ganzheitliches Bild zeichnen in Richtung digitale Stadt.«
Auch ließe sich die Automatisierung im Bauwesen nicht mit einer einzigen Fachdisziplin bewältigen, sagt Smarsly. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten derzeit an Projekten wie einem Seilroboter, der über mehrere Stockwerke umfangreiche Maurerarbeiten erledigen kann. Oder Roboter, die selbstständig Aufzüge installieren und Stahlkonstruktionen zur Absicherung von Gebäuden zusammenschweißen. Insgesamt stehe die Baurobotik noch am Anfang, verglichen mit der Automobilindustrie, resümiert Smarsly. Gleichwohl engagiere sich die Bauindustrie für automatisierte Baustellen, die durch computergesteuerte Maschinen betrieben werden - Fachleute erwarten ein Multimilliardengeschäft.
Ein weiteres Problem ist der ungelöste Datenschutz: Das betrifft zum Beispiel alle Gebäudeinformationen, die in eine zentrale Datenbank eingespeist werden wie etwa die Werkpläne, die zeitliche Abfolge der Arbeiten der verschiedenen Gewerke, Planänderungen, Informationen über Materialien, Baustoffe und Wartungstermine. Wem gehören die Daten? Dem Bauunternehmer, dem Bauherren oder der Firma, die für die Digitalisierung zuständig ist? Und wer trägt die Verantwortung im Schadensfall? Die Digitalisierung bietet eben nicht nur Chancen, sondern stellt uns vor neue Herausforderungen, die wir vor ihr nicht kannten. Es müssen viele Bedingungen geklärt werden. Smarte Technologien allein werden nicht ausreichen, das Bauen sicherer und kostengünstiger zu gestalten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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