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Obdachlosigkeit nicht gottgegeben
Über kostenlose Tickets und gestiegene Grundstückspreise
Da sitzt zu Ostern ein alter Mann auf einer Parkbank und füttert die Tauben. Als seine Hände leer sind, steht er auf und zieht auf der Parkbank nebenan unter einer Plane noch ein Stück Brot hervor. Da bemerke ich, dass der Mann unter der Plane seine Habseligkeiten verstaut hat. Es ist einer von vielen Obdachlosen, die ich in der Innenstadt von Madrid antreffe. Ich sehe sie unweit des Museums El Prado und der Königlichen Akademie der Schönen Künste, in denen ich Gemälde mit biblischen Motiven alter Meister bewundern kann. Ich sehe sie in den Straßen, durch die feierlich die Osterprozessionen der katholischen Kirchen ziehen.
Doch um Luxus und Elend so nahe beieinander zu finden, müsste ich nicht verreisen. Zuhause in Berlin begegnen mir Obdachlose an Bahnhöfen, unter Brücken und in der S-Bahn. Wenn sie ohne Fahrschein unterwegs sind und erwischt werden, aber das Bußgeld natürlich nicht bezahlen können, droht ihnen eine Ersatzfreiheitsstrafe.
Darum gefällt mir die Idee des Berliner FDP-Abgeordneten Tobias Bauschke: Soziale Einrichtungen sollen Bescheinigungen ausstellen, mit denen Obdachlose kostenlos Bus und Bahn fahren dürfen. Ob dergleichen aus christlicher Barmherzigkeit oder sozialem Verantwortungsgefühl geschieht, ist ganz egal, wenn nur etwas unternommen wird, um die Not zu lindern.
Dabei darf man es aber nicht bewenden lassen. Im September 2021 stellte die damalige Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) den Masterplan zur Überwindung der Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 vor. Das wird nicht einfach in einer Stadt, in der zuletzt so viele Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden wie nie zuvor und in der die Grundstückspreise explodieren.
Aber an den Gedanken, dass Obdachlosigkeit gottgegeben sei, will und kann ich mich nicht gewöhnen. Ich weiß, dass es anders geht. Denn ich bin in einem Staat aufgewachsen, in dem zwar Wohnungsnot herrschte, aber trotzdem niemand auf der Straße schlafen musste.
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