Pegasus gegen Katalonien

Spanien lässt Unabhängigkeitspolitiker ausspionieren

  • Ralf Streck, Tarragona
  • Lesedauer: 4 Min.

Für Amnesty International (AI) ist die Sache klar: »Die EU muss handeln, um den Missbrauch von Spionageprogrammen zu beenden, nachdem prominente Katalanen mit Pegasus angegriffen wurden.« IT-Experten der Menschenrechtsorganisation haben die Untersuchungen des IT-Sicherheitslabors Citizen Lab bestätigt, wonach mindestens 65 Aktivisten, hochrangige Politiker, Anwälte oder auch Journalisten, die für die Unabhängigkeit Kataloniens eintreten, über die Spionageprogramme Pegasus und Candiru ausgespäht wurden.

Die bis dato letzten vier katalanischen Präsidenten finden sich alle in der Liste der Ausgespähten. Das gilt für den amtierenden Präsidenten Pere Aragonès wie auch für seine Vorgänger Quim Torra oder Carles Puigdemont, der sich seit 2017 im belgischen Exil befindet, sowie Artur Mas. 2017, als die Katalanen unilateral ein Referendum über die Unabhängigkeit durchführten, hätten die Angriffe »im Vorfeld und im Anschluss« stattgefunden, schreibt Citizen Lab in einem ausführlichen Bericht. Die Abstimmung versuchte Spanien bekanntlich auch mit massiver Gewalt zu verhindern.

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Das IT-Sicherheitslabor an der Universität Toronto beschäftigt sich seit Jahren mit Überwachungssoftware. Es hatte im vergangenen Jahr aufgedeckt, dass unter anderem Oppositionelle und Journalisten in Ungarn genauso über Pegasus ausspioniert wurden wie der französische Präsident Emmanuel Macron. Auch der katalanische Ex-Parlamentspräsident Roger Torrent gehörte damals zu den Aufgeführten.

Spanien müsse »unmissverständlich« klarstellen, ob es Kunde der israelischen NSO-Group ist, die ihre Spionagesoftware nur an Länder verkauft und nicht an Private, fordert AI. Zudem müsse es eine »unabhängige Untersuchung« geben. Der katalanische Präsident Aragonès forderte auf einer Pressekonferenz in Brüssel am Dienstag von der spanischen Regierung, Pedro Sánchez müsse die »Verantwortung übernehmen«. Es würden keine »Ausreden« mehr gelten. Nun sei eine rote Linie überschritten worden, erklärte das Mitglied der Republikanischen Linken (ERC). Die von der ERC geführte Regierung in Katalonien kommt wegen der Unterstützung der Zentralregierung von Sánchez nun noch stärker unter Druck, da auch der vor mehr als zwei Jahren versprochene Dialog mit Katalonien nie wirklich begonnen hat.

Puigdemont sprach auf der gemeinsamen Pressekonferenz von einer »riesigen und illegalen« Spionage. Durch die Blume forderte der Exilpräsident von Aragonès, den Dialog mit Sánchez abzubrechen und die Unterstützung seiner Minderheitsregierung zu beenden. »Es wäre unverständlich, dass nach diesem Skandal weiter in diese eine Regierung vertraut« wird, die in einen »kriminellen Komplott« verstrickt sei und eine Spionage organisiert habe, »während sie behauptete, den Dialog zu wollen«.

Betroffen von der Spionage, deren Urheberschaft die spanische Regierung negiert, waren neben Politikern aber auch zivilgesellschaftliche Aktivisten wie die Präsidentin des »Katalanischen Nationalkongresses« (ANC) Elisenda Paluzie, die in Brüssel Strafanzeigen wegen der »umfassendsten illegalen Spionage« angekündigt hat, bei der über »fünf Jahre« in einem EU-Mitgliedsstaat Dissidenten ausspioniert wurden.

Auch bekannte Journalisten wie Meritxell Bonet oder Anwälte wie Gonzalo Boye, der Puigdemont vertritt, wurden ausspioniert. Das gilt auch für Andreu Van den Eynde, der den ERC-Chef Oriol Junqueras verteidigt hat. Junqueras war wegen eines angeblichen Aufruhrs zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Boye fragt: »Wie kann ich jemanden verteidigen, wenn die Gegenseite genau alles weiß, was ich mit meinem Klienten bespreche?« Boye gehört zu denen, die besonders oft angegriffen wurden. Betroffen dürften auch Klienten in Deutschland sein, denn Boye hat auch hier eine Zulassung.

Die in die Ermittlungen eingebundenen Personen gehen davon aus, dass wir bisher nur die Spitze des Eisbergs kennen. Man habe nicht viele Handys untersucht, erklärte eine in die Vorgänge eingebundene anonym bleiben wollende Person dem »nd«. »Jetzt muss das in die Breite gehen.« Sie verweist darauf, dass dies aufwendig und teuer sei, weil Spezialisten nach den Spuren auf den Handys suchen müssten, im Fall der Software Candiru auch auf Computern. Dass Candiru, ebenfalls aus Israel stammend, gegen Katalanen eingesetzt wurde, hatte Microsoft schon veröffentlicht. Zu beachten sei, dass man bei Pegasus nicht irgendeinen Link anklicken müsse, das Programm werde über eine SMS, eine Whatsapp-Nachricht oder über einen Telefonanruf aufgespielt, den man nicht einmal annehmen müsse.

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