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  • Linksjugend Solid Berlin

Verhärtete Fronten

Berliner Linke-Spitze will die Aktivitäten des parteinahen Jugendverbands nicht länger pauschal alimentieren

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.
Wann wir schreiten Seit’ an Seit’? Für die Hauptstadt-Linke und den ihr eigentlich nahestehenden Jugendverband stellt sich das gerade schwierig dar.
Wann wir schreiten Seit’ an Seit’? Für die Hauptstadt-Linke und den ihr eigentlich nahestehenden Jugendverband stellt sich das gerade schwierig dar.

Der seit Monaten schwelende Konflikt zwischen dem Berliner Landesvorstand der Linken und dem Linke-nahen Jugendverband Linksjugend Solid Berlin spitzt sich zu. »Ich werde in der kommenden Woche im Landesvorstand beantragen, der Linksjugend Solid die pauschalen Mittel zu entziehen«, sagt Linke-Landeschefin Katina Schubert zu »nd«. »Aktuell gibt es Kräfte im Landessprecher*innenrat der Linksjugend Solid, die massiv gegen die Partei kämpfen. Das kann man ja machen. Nur dass man das mit Mitgliedsbeiträgen der Partei macht, ist doch sehr fragwürdig«, begründet Schubert ihren Vorstoß.

Konkret handelt sich um 15.000 Euro im Jahr, die Solid pauschal für seine Arbeit von der Landes-Linken überwiesen werden. Nach dem Willen von Schubert soll damit nun Schluss sein. Künftig sollen nur noch projektbezogene Gelder bewilligt werden, bestätigt die Landeschefin einen Bericht des »Tagesspiegels«.

Anders als etwa der Jugendverband der SPD, der organisatorisch als eigene Gliederung an die Mutterpartei gebunden ist, ist die Linksjugend Solid faktisch unabhängig. Sie steht - wie andere von der Partei finanzierte Jugendprojekte auch - der Linken eben nur nahe. Das befreit den Verband von einem in anderen Jugendgliederungen nicht unüblichen Parteisoldatentum. Zugleich heißt Unabhängigkeit in dem Fall auch, dass die Partei problemlos den Geldhahn zudrehen kann.

Schubert sagt, es sei »das gute Recht eines jeden Jugendverbandes, radikaler zu sein als die Mutterpartei«. Aber ein Teil der auf der letzten Solid-Landesvollversammlung vor eineinhalb Wochen gefällten Beschlüsse »widerspricht schlicht unserem Parteiprogramm«. Unter anderem hatte die Versammlung mehrheitlich für einen Antrag gestimmt, in dem »die konsequente Benennung Israels als Apartheidsstaat« und »die konsequente Benennung des Zionismus als reaktionäre, bürgerliche Ideologie« gefordert wird. Positionen, die in der Tat mit der israelsolidarischen Haltung der Linke-Landesspitze nicht zu vereinbaren sind.

»Das sind Beschlüsse, die überhaupt nichts mehr zu tun haben mit dem, wofür wir als Linke stehen«, sagt auch Vize-Landeschef Tobias Schulze zu »nd«. Jugend hin oder her: »Auch für linke Diskurse sollte es Grenzen geben«, so Schulze. Hinzu komme seit den Wahlen im September vergangenen Jahres und der nachfolgenden Neuaufstellung der Linksjugend-Landesspitze eine grundsätzliche Entfremdung: »Die Rhetorik des Landessprecher*innenrats ist seither explizit gegen den Landesvorstand der Linken gerichtet.«

Hatte Solid zuvor sogar die Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen von Grünen und SPD gesucht, stehen die Zeichen seit dem Herbst auf Fundamentalopposition. Das lässt man dann auch die Parteispitze wissen. Weshalb auch Schulze von einem »Kampf« gegen die Mutterpartei spricht.

Bengt Rüstemeier, bis vor einem Jahr noch beim SPD-Jugendverband Jusos, nun einer der Landessprecher der Linksjugend, will das so nicht stehen lassen: »Wir haben der Partei nicht den Kampf erklärt und wir haben auch nicht vor, der Partei den Kampf zu erklären«, sagt Rüstemeier zu »nd«. Zum inkriminierten Israel-Beschluss will er sich nicht weiter äußern. Nur so viel: »Wir haben Mitglieder, die von dem Thema persönlich betroffen sind.«

Generell gelte, dass die Vollversammlung des Jugendverbands »unser höchstes demokratisches Gremium ist«, so Rüstemeier. »Und wir erwarten, dass der Landesvorstand der Linken unsere Beschlüsse als solche akzeptiert.« Dass die Parteispitze die Linksjugend »an der Leine halten will, halten wir insofern auch für einen Angriff auf unseren demokratischen Entscheidungsprozess«.

Die Fronten scheinen, freundlich formuliert, verhärtet. Auch rhetorisch. Nicht zuletzt auf Twitter. Auf der einen Seite findet sich hier etwa Berlins Co-Linksfraktionschef Carsten Schatz, der angesichts des »Apartheidstaats«-Beschlusses »für einen Schnitt« mit der »Sekte« Linksjugend plädiert, versehen mit dem Wunsch: »Gey kakn oyfn yam«, jiddisch für: »Geh ins Meer scheißen«. Auf der anderen Seite schreibt das Linke-Landesvorstandsmitglied Ulas Tekin hinsichtlich der angekündigten Mittelstreichungen von »Meinungsunterdrückung«, der er »auf jeden Fall nicht zustimmen werde«, zumal er Israel ebenfalls als »Apartheidstaat« ansehe.

Auch der Linke-Bezirksverband Neukölln erklärt sich solidarisch mit dem Landessprecher*innenrat. »Aus meiner Perspektive ist die Ankündigung absolut falsch. Das müssen wir abwenden. Wir sollten unserer Jugendorganisation nicht diktieren, welche Positionen sie einzunehmen hat«, sagt Ferat Koçak, Sprecher für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus und eine der Galionsfiguren der Linke Neukölln. »Ein solcher Schritt wäre antidemokratisch und entspricht nicht der Partei Die Linke, für die ich angetreten bin«, sagt Koçak zu »nd«. Die Beschlüsse der Linksjugend Solid »haben wir zu respektieren, auch wenn uns nicht alles passt«. Auch Koçak spricht mit Blick auf die in Aussicht gestellte Sperrung der Mittel vom Versuch einer »Zwangsdisziplinierung«. Der Jugendverband sei eben »ein bisschen linksradikaler als andere«.

Bengt Rüstemeier von Linksjugend Solid selbst baut darauf, dass die Türen für Verhandlungen mit der Landesspitze noch nicht endgültig zugeschlagen sind. »Wir sind sehr offen, dass wir mit Katina darüber sprechen und in einen Austausch kommen«, sagt er. Die Chancen, in Zukunft mehr als projektbezogene Mittel zu bekommen, dürften indes bescheiden sein. Landeschefin Katina Schubert sagt: »Ich werde der Diskussion im Landesvorstand jetzt nicht vorgreifen.«

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