Symptom, nicht Ursache

Peter Steiniger zur Angst vor einem Frankreich unter Marine Le Pen

Alle Jahre wieder: Erneut steht in Frankreich die extreme Rechte kurz davor, in den Élysée-Palast einzuziehen, mit gravierenden Auswirkungen auf das Machtzentrum der EU. Die zweite Stichwahl nach 2017 zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen ist längst kein Schock mehr, sondern das erwartete Finale dieser Präsidentschaftswahl. Vor zwei Jahrzehnten, als ihrem Vater Jean-Marie Le Pen der Einzug in das Duell gelang, war das noch ganz anders. Anders ist auch, dass man damals noch darauf vertrauen durfte, dass das Land, in dem Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit Verfassungsrang haben, den Ausrutscher korrigiert. Soweit möglich: »Wählt den Gauner, nicht den Faschisten«, lautete der kleinste gemeinsame Nenner, unter dem sich auch linke Wähler der »Republikanischen Front« zur Verteidigung der Demokratie anschließen konnten.

Seitdem haben sich rechtspopulistische und nationalkonservative Kräfte in allen Ecken der Welt ausgebreitet und Demokratien gekapert, um sie in autoritäre Herrschaftsmodelle zu verwandeln. Im Osten hat sich die EU im Interesse des Gemeinsamen Marktes Sorgenkinder dieses Schlags an Land gezogen. Auch in Frankreich ist für den Rassemblement National das Paria-Dasein vorbei. Nicht allein, weil Marine Le Pen Kreide gefressen hat. Neoliberale Politik und ihre egoistischen Denkmuster schufen Akzeptanz für den rechten Rand. Demagogie hat Erfolg, weil Versprechungen nicht eingelöst, aber das Lebensniveau gedrückt wurde. Sie greift wegen einer demokratiefernen EU, die sich der Nato und den USA unterordnet. Der Wahlaufruf der Regierungschefs aus Deutschland, Spanien und Portugal für Macron wird Protestwähler kaum beeindrucken. Dass es nun keine bessere Alternative zu Macron gibt, ist auch Schuld der Linken in Frankreich, die ihre soziale Basis aufgab oder unwillig zur Einheit ist. Nun kommt es darauf an, dass ihre Wähler durchschauen, dass Le Pens Kampf gegen das Establishment nur ein Fake ist.

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