»Da regiert die nackte Angst«

Erneute Vorwürfe gegen die Führung des kommunalen Berliner Kita-Betriebs Kindergärten City

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 5 Min.
Mehr als 40 Mitarbeiter arbeiten in der Geschäftsstelle von Kindergärten City in Gesundbrunnen.
Mehr als 40 Mitarbeiter arbeiten in der Geschäftsstelle von Kindergärten City in Gesundbrunnen.

»Alle machen die Tür hinter sich zu und versuchen, den Chefs nicht über den Weg zu laufen«, berichtet Daniela Schmitt, eine Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle von Kindergärten City. In Wirklichkeit heißt sie anders. Sie bittet darum, anonym bleiben zu dürfen. Zu groß sei die Angst vor Repressionen aus der Führungsetage des Berliner Kita-Trägers – einer Einrichtung des öffentlichen Dienstes wohlgemerkt: Der Eigenbetrieb des Landes Berlin betreibt in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg 56 Kitas für mehr als 7000 Kinder.

Mehrere aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der zentralen Verwaltung des Trägers hatten sich Ende vergangenen Jahres an »nd« gewandt. Ihr Vorwurf: Mobbing durch die Chefetage von Kindergärten City. Ein Anfang Januar in »nd« veröffentlichter Beitrag zu den Vorwürfen habe in der über 40 Beschäftigte zählenden Geschäftsstelle in Gesundbrunnen zwar »für Unruhe gesorgt«, so Daniela Schmitt. Geändert habe sich aber nichts. »Die Stimmung ist nach wie vor sehr schlecht. Wer hier arbeitet, muss die Klappe halten. Eigene Ideen sind nicht erwünscht, Kritik an den Chefs schon gar nicht.« Sie sagt: »Wer sich nicht fügt, wird fertig gemacht.« Der Betrieb habe »unverändert mit Bossing zu kämpfen«, von der Leitung ausgehendem Mobbing also. »Da regiert die nackte Angst.«

Ihre Hoffnung, sagt Schmitt, setze sie auf diesen Dienstag, an dem zum ersten Mal seit der Berichterstattung der Verwaltungsrat von Kindergärten City zusammenkommt. »Die Mitglieder des Verwaltungsrats hatten sich doch bislang blind und taub gestellt, obwohl die Probleme intern ja schon vor dem nd-Artikel bekannt waren. Aber spätestens jetzt kann keiner mehr sagen: Ich weiß von nichts.« Schmitt sagt, sie wisse genau, dass Mitarbeiterinnen sich wünschen, vor dem Verwaltungsrat gehört zu werden.

In dem Aufsichtsgremium sitzen neben dem Personalrat Vertreter der Bezirksämter Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte. Christoph Keller (Linke), seit der Wahl im vergangenen Jahr Mittes Jugendstadtrat und damit designierter neuer Verwaltungsratsvorsitzender von Kindergärten City, bestätigt dabei, dass ihm die Vorwürfe der Mitarbeiter bekannt sind. Im Rahmen eines Gesprächs mit dem Personalrat des Kita-Trägers habe die Beschäftigtenvertretung schon im Januar ihre Sicht »auf den Umgang der Geschäftsleitung mit Mitarbeitenden der Geschäftsstelle mitgeteilt«, so Keller zu »nd«. Näher darauf eingehen möchte er nicht. Nur so viel: »Die Vorwürfe lassen sich noch nicht abschließend beurteilen.«

Der Personalrat hält sich derweil mit öffentlichen Kommentaren zurück. Man werde über interne Angelegenheiten »gegenüber der Presse keine Auskünfte erteilen«, teilt die Beschäftigtenvertretung auf nd-Anfrage mit. »Intern winden die sich dafür umso mehr«, sagt Mitarbeiterin Daniela Schmitt. »Es ist auch nicht so, dass der Personalrat gar nichts für uns betroffene Kollegen unternimmt. Aber das ist eben alles zu zahm, zu zögerlich.« Die Probleme würden hier nur aufgenommen, ohne dass daraus »ein aktives Eintreten für die Belange der Betroffenen« folge. »Der Personalrat muss jetzt endlich mal Farbe bekennen und sich an die Seite der Beschäftigten stellen«, fordert Schmitt.

In einer an die Belegschaft gerichteten »Stellungnahme des Personalrats« zu »unangemessenen Verhaltensweisen von Führungskräften« aus dem Februar heißt es hierzu: »Bei der Begleitung von Konflikten stellen wir auch Grenzen fest, und nicht alle Anliegen werden für Beschäftigte zufriedenstellend gelöst.« Das Papier liegt »nd« vor. Weiter schreibt der Personalrat hier aber auch: »Das Vortragen von anonymen Beschwerden erschwert uns die konkrete Bearbeitung der aufgeworfenen Anliegen. Und es stellt sich die Frage: Woran liegt es, dass das Betriebsklima als nicht angstfrei empfunden wird und Probleme eben nicht offen angesprochen und bearbeitet werden?«

»Ja, woran liegt das wohl?«, fragt Daniela Schmitt zurück. »Das ist doch klar, und das weiß der Personalrat genau: Alle haben Angst vor Repression.« Man wolle mit der Leitung auch schon gar nicht mehr »in ein Streitgespräch gehen, bei dem man von vornherein nur schlechte Karten hat, weil daraus sofort ein Psychospiel wird«, sagt Schmitt. Etliche Mitarbeiter hätten sich deshalb schon an Anwälte gewandt. »Einige haben den Eigenbetrieb inzwischen verlassen, und das nicht unbedingt freiwillig«, so Schmitt.

Dennoch: Die Anonymität macht die Sache nicht einfacher. So teilt dann auch die Leitung von Kindergärten City auf nd-Anfrage mit, dass die »Vorwürfe lediglich über die Presse bekannt gemacht geworden« seien: »Betriebsintern wurden keine der von Ihnen benannten Vorwürfe an die Geschäftsleitung herangetragen.« Man nehme diese zugleich sehr ernst und tue »alles dafür, dass etwaige Meinungsverschiedenheiten konstruktiv und hierarchieübergreifend bearbeitet werden können«. Letztlich bleibe es aber dabei: »Die im Rahmen der Presseberichterstattung bekannt gewordenen Vorwürfe kann die Geschäftsleitung nur sehr abstrakt bearbeiten, da diese inhaltlich nicht konkret sind und zudem anonym erfolgten.«

Die Leitung verweist zudem auf ein von ihr initiiertes »Mediationsverfahren zwischen den Beschäftigtenvertretungen und der Geschäftsleitung (...), indem die konstruktive Zusammenarbeit zwischen diesen Funktionsgruppen im Fokus steht«. Auch Mittes Jugendstadtrat Christoph Keller hält die genannte Mediation »für sehr sinnvoll«, da nun einmal »die Sichtweisen auf die erhobenen Vorwürfe sehr unterschiedlich sind«.

»Das ist doch Augenwischerei«, sagt Daniela Schmitt. »Uns ist nicht bekannt, dass es zu Konflikten zwischen Personalrat und Leitungsebene gekommen ist, die mit einer Mediation geklärt werden müssten. Nicht der Personalrat hat den Konflikt mit der Chefetage, sondern wir, die betroffenen Mitarbeiter.«

Die Chefetage selbst spricht mit Blick auf die Vorwürfe von einer »fortgesetzten und betriebsschädigenden Kampagne«. So steht es in einer Einladung an die Mitarbeiter zu einer Infoveranstaltung an diesem Freitag, in der man zu ebenjener Kampagne »Stellung nehmen« möchte. Schmitts Erwartung an den Termin? »Null. Da traut sich ja doch niemand, die Probleme laut auszusprechen.«

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