Auf den Tribünen des Balkans

Wer mehr über den Fußball in Ex-Jugoslawien erfahren will, dem sei »Vereint im Stolz« von Anne Hahn und Frank Willmann ans Herz gelegt

  • Roland Zschächner
  • Lesedauer: 4 Min.

Ende Februar war es wieder mal so weit: Das Ewige Derby stand in Belgrad auf dem Programm. Roter Stern gegen Partizan. Das Ergebnis lautete 2:0 für die Gastgeber in Rot-Weiß. Das Stadion war voll, Bengalos wurden gezündet und beeindruckende Choreografien gezeigt - nach der Corona-Pause wollten sich die Fans der Stadtrivalen mal wieder richtig austoben. Dafür bietet der Fußball in Serbien eine gute Möglichkeit. Eigentlich - so ehrlich muss man sein - waren die Zeit schon mal besser. Damals, als der jugoslawische Fußball zum besten in Europa gehörte, technisch versiert und spielerisch stark. Ein Staatszerfall und zwei Kriege später ist das alles hinüber; ob es jemals wiederkommen wird, bleibt offen.

Anne Hahn und der nd-Sport-Kolumnist Frank Willmann haben sich aufgemacht und die Schluchten des Balkans bereist, um den Fußball, die Fans und die Geschichte dahinter zu entdecken. »Vereint im Stolz« heißt das Ergebnis, das sie als sehr preiswertes Buch bei der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht haben. Darin kommen jene zu Wort, die es wissen müssen: ehemalige Fußballer, Fans, Sportreporter und andere Experten.

Jedes der sieben postjugoslawischen Länder wird mit einem knappen wie informativen Text der Journalisten Norbert Mappes-Niediek vorgestellt. Dann folgt ein erhellender Blick in die jeweilige Balltrittkultur, die selbstverständlich vom Stolz auf den eigenen lokalen Verein geprägt ist.

Auffällig ist dabei: Fußball hat eine besondere Rolle in den ehemaligen jugoslawischen Republiken, vor allem in Kroatien, Serbien und Bosnien. Das war schon in Jugoslawien so. Ikonisch das Spiel zwischen Hajduk Split und Roter Stern am 4. Mai 1980, das gestoppt wurde, um die Nachricht zu verkünden, dass Präsident Tito gestorben war: Weinende Fußballer.

Und dann der 13. Mai 1990, als in Zagreb eigentlich Dinamo gegen Roter Stern spielen sollte - doch es ging nie los, weil sich Zuschauer, Spieler und Polizei im Handgemenge wiederfanden. Für manche war das der Beginn des kommenden Bruderkrieges. Einige, die damals im Stadion waren, zogen später mit der Waffe in der Hand in den Krieg. Wohl am bekanntesten ist Arkan, der mit seinen Schergen mordend über die Schlachtfelder zog.

Fußball ist politisch. Auf den Rängen der Stadien zeigen sich soziale Prozesse. Das wirkt oft laut und ungehobelt, aber ist meist auch nicht besser oder schlimmer als beim Rest der Gesellschaft. Das betrifft Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie - und nicht zu vergessen Nationalismus. Dieses ideologische Amalgam hat sich festgesetzt.

In den Ländern des ehemaligen Jugoslawien - im Buch oft als »Jugosphäre« bezeichnet - ist das nicht anders. Nur dass die Politik bzw. die organisierte Kriminalität an vorderster Stelle mitmischt. Fußball ist ein gutes Geschäft. Dadurch bekommt man Einfluss und im Zweifelsfall ein paar trainierte Jungs aus der Fanszene, die die Drecksarbeit machen. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich Serbiens Präsident Aleksandar Vučić dafür rühmt, früher selbst Teil der schlagkräftigen Anhängerschaft von Roter Stern gewesen zu sein.

Anne Hahn und Frank Willmann schauen und denken aber auch um die Ecke. Und so zeigen sie, dass dieser laute, schroffe Haufen von Fans, doch vielfältiger ist, als es medial oftmals vermittelt wird. Und dann gibt es auch noch eine kleine, feine Gegenbewegung zum großen Business. Dafür steht der Zagreber Verein NK 041. Der fühlt sich dem Antifaschismus verpflichtet, also jener Tradition und Idee, die tonangebend war in der Blütezeit des jugoslawischen Fußballs.

»Vereint im Stolz« ist eine mit Geschichte, Politik und Kultur gesättigte Fibel über die lokale Ausprägung des Fußballs. Doch das Buch ist mehr als das. Es ist auch eine informative Balkanreise auf dem Papier; ein empathischer Blick auf eine Region, die oft nur dann beachtet wird, wenn es um Gewalt geht. So werden Stereotype kultiviert. Dass es auch andere Perspektiven gibt, zeigen Hahn und Willmann.

Anne Hahn und Frank Willmann: Vereint im Stolz - Fußball, Nation und Identität im postjugoslawischen Raum. BpB, 256 S., br., 4,50 €; bestellbar bei der Bundeszentrale für politische Bildung.

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