Verletzung des Rechtsstaatsprinzips

Umweltverbände kritisieren Aushebelung von Bürgerrechten für schnelleren Bau von LNG-Terminal in Schleswig-Holstein

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Um eine rasche Abkehr der starken Energieabhängigkeit von Russland zu realisieren, will die schleswig-holsteinische Landesregierung den Weg für eine Versorgung mit verflüssigtem Erdgas (LNG) so schnell wie möglich freimachen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisieren in diesem Zusammenhang die Änderung des Landeswassergesetzes.

Der Landtag in Kiel stimmte am Mittwoch in erster Lesung einer Änderung zu, die die Zulassung von schwimmenden LNG-Pontons im Hafen von Brunsbüttel als Vorläufer eines späteren Terminals beschleunigen soll. Ein Ja in der zweiten Lesung am Donnerstag gilt als Formsache. Um sich formal keine mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit an der blitzartigen Gesetzesänderung vorwerfen zu lassen, wurde in die Mittagspause der Landtagssitzung hinein noch eine mündliche Anhörung im Wirtschaftsausschuss angesetzt. Für den BUND bereits ein verräterischer Fingerzeig, dass der Vorgang nicht wie sonst üblich im Umweltausschuss behandelt wird. Wegen der Kürze der Einladung zur Anhörung verweigerten der BUND und der Naturschutzbund (Nabu) ihre Teilnahme. Der BUND spricht von einem bislang bundesweit einmaligen Vorgang, dass ein nachrangiges Landesgesetz genutzt wird, um aus Gründen der Energiesicherheit eine dem EU-Recht widersprechende Planungsbeschleunigung vorzunehmen. Über Jahrzehnte erkämpfte, auf EU-Gesetzgebung basierende bürgerliche Mitbestimmungsrechte werden laut BUND-Landesgeschäftsführer Ole Eggers beschnitten.

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Die Deutsche Umwelthilfe sieht eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips dadurch, dass bereits vor einem abschließenden Planfeststellungsbeschluss für eine geplante Maßnahme bauliche Vorarbeiten im Bereich der Brunsbütteler Hafenanlagen möglich sein sollen. Klagen sollen nach dem Gesetzesentwurf der Koalition aus CDU, FDP und Grünen keine aufschiebende Wirkung mehr haben. »Bei Planung und Bau eines gefährlichen Störfallbetriebs muss aber immer Sicherheit vor Geschwindigkeit gehen«, mahnt Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer. Um keine Zeit zu verlieren, wurde die Änderung des Landeswassergesetzes noch vor der Landtagswahl am 8. Mai und einer möglicherweise zeitraubenden neuen Regierungsbildung und Ausschussbesetzung vorgenommen.

Im Parlament positionierte sich einzig der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der die dänische und die friesische Minderheit vertritt, gegen die Nutzung von verflüssigtem Erdgas, was auch durch die in Schleswig-Holstein mehrheitlich abgelehnte Fracking-Methode gewonnen wird, und führte reihenweise Argumente dafür ins Feld: darunter das damit verbundene Verfehlen der Klimaziele durch das Festhalten an einer fossilen Energieform und finanzielle Belastungen für Bürger und Steuerzahler, da die LNG-Technologie deutlich kostenintensiver sei.

Schleswig-Holstein hat sich das Ziel gesetzt, Deutschlands erstes LNG-Terminal zu errichten und damit auch ähnlichen Bestrebungen in Niedersachsen an den Standorten Stade und Wilhelmshaven zuvorzukommen. CDU-Ministerpräsident Daniel Günther hat im Wahlkampf bereits das Versprechen abgegeben, 2023 ein schwimmendes LNG-Terminal in Betrieb zu nehmen. Die Finanzministerin und grüne Spitzenkandidatin Monika Heinold warnte davor, den Mund diesbezüglich zu voll zu nehmen.

Vor wenigen Wochen noch schienen sich alle Planungen bezüglich Brunsbüttel in Luft aufzulösen, weil Investoren ihren Rückzug ankündigten. Nun hat der Bund mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und dem schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an der Spitze angesichts des Ukraine-Krieges vor Augen einen unmittelbaren Einstieg in das Projekt angekündigt und dafür bereits 500 Millionen Euro aus Mitteln der staatlichen Förderbank KfW zugesagt.

Das sorgt vor Ort und in der Landespolitik für Goldgräberstimmung. Während Schleswig-Holsteins Wirtschaftsstaatssekretär Thilo Rohlfs (FDP) als Realisierungs-Benchmark die in rasantem Tempo in Brandenburg errichtete Tesla-Fabrik auserkoren hat, wird hinter den politischen Kulissen an weiteren gesetzlichen Änderungen geschraubt, etwa am Energiewirtschaftsgesetz, im Baugesetzbuch oder der Verwaltungsgerichtsordnung.

Wer sich unverändert gegen alle LNG-Pläne stemmt, ist die Fridays-for-Future-Bewegung, die vergangene Woche zu einer landesweiten Demonstration nach Brunsbüttel aufgerufen hatte. Man musste aber mit großer Enttäuschung registrieren, dass sich gerade einmal drei Dutzend Teilnehmer einfanden.

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